Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

Handel reagiert mit bitterer Kritik auf Corona-Beschlüsse

Erscheinungsdatum Website: 12.02.2021 18:30:02
Erscheinungsdatum Publikation: 15.02.2021

zurück zur Übersicht

BERLIN (Dow Jones)--Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat mit heftiger Kritik auf die jüngsten Corona-Beschlüsse reagiert und der Politik "einen klaren Wortbruch" vorgeworfen. Für den Einzelhandel insgesamt sah der HDE nun 6 Prozent Umsatzrückgang im Falle einer Öffnung im Mai. "Das Versprechen eines Konzeptes für eine sichere sowie faire Öffnungsstrategie und damit für einen transparenten Plan zum Wiederhochfahren der Wirtschaft wurde leichtfertig gebrochen", erklärte der Verband. Viele Einzelhändler bringe das in eine ausweglose Lage. Deshalb seien Klagen zu erwarten.

So gäben in einer aktuellen HDE-Umfrage mehr als die Hälfte der vom Lockdown betroffenen Einzelhändler an, ohne weitere staatliche Unterstützung das laufende Jahr nicht überstehen zu können. Deshalb fordere der HDE Anpassungen bei den Überbrückungshilfen. "Die Corona-Beschlüsse werden der Realität im Einzelhandel nicht gerecht. Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht und bleibt in dieser für uns alle dramatischen Situation den vor Wochen versprochenen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown schuldig", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Für die Umsatzentwicklung in diesem Jahr gab der HDE mehrere Szenarien je nach Zeitpunkt einer Öffnung an. Man könne keinen normalen Ausblick geben, "weil wir nicht wissen, wie es weitergeht", betonte Genth bei der Jahrespressekonferenz des Verbandes. Für den Einzelhandel insgesamt sah der HDE bei einer Öffnung im März eine Umsatzstagnation, bei Öffnung im April ein Umsatzminus von 4 Prozent und einer Öffnung im Mai einen Umsatzrückgang von 6 Prozent gegenüber 2020.

Für den stationären Handel prognostizierte der Verband bei Öffnung im März ein Minus von 2 Prozent, bei Öffnung im April von 6 Prozent und im Mai um 9 Prozent. Für den Onlinehandel wird für Öffnung im März ein Umsatzzuwachs von 13 Prozent vorhergesagt, für Öffnung im April ein Plus von 14 Prozent und für Öffnung im Mai von 15 Prozent.

"Keine Öffnungsstrategie, sondern eine Schließungsstrategie"

Allerdings müsse man sehen, "dass das Jahr 2020 schon ein Krisenjahr war", sodass dies nicht die normale Basis sei. So werde das Umsatzminus 2021 im Vergleich zu 2019 im Bereich Nonfood für März 15 Prozent betragen, bei Öffnung im April 23 Prozent und bei Öffnung im Mai 29 Prozent. "Der Einzelhandel ist jetzt seit acht Wochen geschlossen, weitere vier Wochen sind auf jeden Fall vorprogrammiert", konstatierte Genth. "Es ist gestern keine Öffnungsstrategie, sondern eine Schließungsstrategie vereinbart worden."

Dieser Umgang mit den rund 200.000 vom Lockdown betroffenen Handelsunternehmen sei "unangemessen und unverständlich". Die Branche habe mit ihren funktionierenden Hygienekonzepten nachweislich dafür gesorgt, dass der Einkauf auch in Pandemiezeiten sicher sei. Zudem sehe der HDE mit der neuen Festlegung der Inzidenzzahl von 35 für eine Wiedereröffnung der Geschäfte keine nachvollziehbare Basis. Der Handel fordere auch bereits bei höheren Zahlen abgestufte Verfahren, bei denen beispielsweise Öffnungen mit strengeren Hygienevorgaben oder auch der Einkauf mit vorheriger Terminvereinbarung möglich sein sollten.

"Die Händler sind im Lockdown gefangen und die Politik nimmt dies in Kauf", beklagte Genth. Pro geschlossenem Verkaufstag verlören die Einzelhändler Umsätze in Höhe von rund 700 Millionen Euro. "Für kleinere Händler muss die Möglichkeit zur Auszahlung eines Unternehmerlohns geschaffen werden, und auch größere Handelsunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro müssen die Unterstützung bekommen", forderte Genth zu den Überbrückungshilfen. Zudem müssten die Abschreibungsmöglichkeiten für die unverkäufliche Ware vereinfacht und auf die komplette Saisonware bezogen werden.

Der HDE-Hauptgeschäftsführer kritisierte, nicht nur der nun vereinbarte Inzidenzwert von 35 sei "willkürlich", sondern auch die Verdopplung der Ladenflächenvorgabe auf 20 Quadratmeter entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage. Die Wirtschaft sei nicht einmal gehört, geschweige denn beteiligt worden, beklagte Genth. "Die Wirtschaft gehört mit an den Tisch zu den Entscheidungen", forderte er. Zu erwarten seien nun Klagen von Unternehmen, was auch "nachvollziehbar" sei. "Es können deutlich mehr werden als 50.000 Unternehmen, die diese Krise nicht überstehen, wenn sie nicht ausreichend unterstützt werden", warnte Genth.

DJG/ank/apo/15.02.2021

zurück zur Übersicht