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Wirtschaft übt Kritik am Koalitionsbeschluss zum Verlustrücktrag

Erscheinungsdatum Website: 05.02.2021 17:55:03
Erscheinungsdatum Publikation: 08.02.2021

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BERLIN (Dow Jones)--Mehreren Verbänden der deutschen Wirtschaft geht der Beschluss der großen Koalition zum Verlustrücktrag für Unternehmen nicht weit genug. "Der Koalitionsbeschluss wird dem Ausmaß der Krise und der Lage insbesondere im Mittelstand nicht gerecht", kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. "Die Erweiterung der rücktragsfähigen Verluste auf nur 10 Millionen Euro springt deutlich zu kurz." Andere Industrieländer lägen bei 50 Millionen Euro oder gar unbegrenztem Verlustrücktrag.

Auch die zeitliche Komponente bleibe leider unverändert, bemängelte Lang. Mit einer deutlichen Ausweitung des Rücktragszeitraums auf mindestens zwei Jahre hätte die Regierung einen zielgenauen Hebel in der Hand gehabt, angeschlagenen Unternehmen schnell wieder auf die Beine zu helfen. Es sei unverständlich, dass die Verrechnung von Verlusten weiterhin nur mit Gewinnen des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums möglich ist. "Je länger sowohl die Corona-Pandemie als auch die Einschränkungen andauern, umso dringlicher wird eine Ausweitung des Verlustvortrags", so Lang.

Ähnlich äußerte sich auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). "Vordergründig ist es zunächst eine gute Nachricht, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, den steuerlichen Verlustrücktrag zu verdoppeln", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. Allerdings sei der Beschluss "nur halbherzig und angesichts der riesigen unverschuldeten Liquiditätsprobleme unserer Betriebe in keiner Weise weitreichend genug". In der jetzt beschlossenen Form könne das allenfalls marginal dazu beitragen, die in dieser Krisenlage notwendige Liquidität für die Handwerksbetriebe zu schaffen.

Am Bedürfnis des Mittelstands vorbei

Es sei nur der Betrag des Verlustrücktrags temporär erhöht, aber leider nicht der Rücktragszeitraum verlängert worden. "Das geht an den Bedürfnissen des Mittelstands vorbei." Die Koalition habe eine Chance vertan, Betrieben ganz einfach und zielgenau zu helfen, indem die Verlustverrechnung auf zwei bis drei Jahre ausgeweitet werde. Gerade die aktuellen Lockdown-Maßnahmen führten dazu, dass viele Betriebe weiter Verluste machen, betonte der ZDH-Präsident. "Es besteht also echter Bedarf, das weiter zu verbessern", mahnte Wollseifer.

Kritik übte auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). "Mit der Verdoppelung des steuerlichen Verlustrücktrags geht die Große Koalition zwar in die richtige Richtung, bleibt aber auf halber Strecke stehen", erklärte BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz. Angesichts der vielen Mittelständler, die durch staatlich verordnete Schließungen und nur zögerlich fließende Corona-Hilfen vor dem wirtschaftlichen Aus ständen, hätte der Rücktragszeitraum auf drei oder besser fünf Jahre verlängert werden müssen. Dadurch würden nur Unternehmen mit einem funktionierenden Geschäftsmodell entlastet, die zudem ihre Gewinne in Deutschland versteuerten.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Thilo Brodtmann, mahnte ebenfalls eine Nachbesserung an. Mit der Entscheidung, den geltenden Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 auf 10 Millionen Euro anzuheben, werde zwar eine wesentliche Forderung des Maschinen- und Anlagenbaus erfüllt. "Nicht minder wichtig ist jedoch, den Rücktragszeitraum von jetzt einem Jahr auf bis zu fünf Jahre zu erweitern", betonte er aber. "Alles andere wäre halbherzig."

Mangels Ausgleichsvolumens in einem für viele Unternehmen schon schwierigen Jahr 2019 werde nur eine zusätzliche zeitliche Ausweitung dem industriellen Mittelstand die notwendige Liquidität verschaffen, die er zur Überwindung der Krise braucht, hob Brodtmann hervor. "Hier muss die Koalition im weiteren parlamentarischen Verfahren in jedem Fall nachbessern", verlangte er.

DJG/ank/cbr/08.02.2021

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