Euro Intern

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EZB bestätigt Geldpolitik und bestreitet Zinskurvensteuerung

Erscheinungsdatum Website: 21.01.2021 21:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 25.01.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Geldpolitik nach der Verabschiedung eines umfangreichen Maßnahmepakets im Dezember zu Jahresbeginn wie erwartet unverändert gelassen. Das Gremium räumte zwar Risiken für den kurzfristigen Ausblick ein, sah aber die im Dezember veröffentlichten Wachstumsprognosen noch nicht völlig von den Ereignissen überholt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bemühte sich sehr, den Verdacht zu zerstreuen, die EZB betreibe eine Politik der Zinskurvensteuerung, indem sie die Renditeabstände (Spreads) zwischen Staatsanleihen einzelnen Länder begrenze. Der starke Euro spielte eine weniger prominente Rolle als im Dezember.

"Der Output dürfte im vierten Quartal gesunken sein, und die Intensivierung der Pandemie stellt ein Risiko für den kurzfristigen Ausblick dar", heißt es in dem von Lagarde verlesenen Statement des EZB-Rats. Gleichwohl ist das Gremium der Ansicht, dass die im Dezember veröffentlichten Projektionen zu Wachstum und Inflation von den Ereignissen noch nicht generell überholt seien.

Lagarde sieht durchaus positive Veränderungen seit Anfang Dezember

Christine Lagarde kam bei ihrer Aufzählung positiver und negativer Geschehnisse seit dem 10. Dezember sogar auf mehr Positives als Negatives. Positiv schlugen zu Buche der Beginn der Impfkampagne, das Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU (die EZB hatte laut Lagarde einen Rückfall zu WTO-Standards eingeplant), weitere Fortschritte bei der Verabschiedung des Finanzplans "Next Generation EU", der anhaltende Erholungskurs des verarbeitenden Gewerbes und die demokratische Mehrheit im US-Senat.

Dem standen allerdings die beschleunigte Ausbreitung des Corona-Virus in mehr als einer Variante und längere sowie schärfere Lockdowns gegenüber. Lagarde wies außerdem auf gewisse Stockungen beim Ausrollen des Impfprogramms hin. Diese seien bisher nicht schlimm, stellten aber eine weitere Unsicherheit dar. "Insgesamt sind die Risiken für den Wachstumsausblick abwärts gerichtet, aber weniger stark", hieß es in der von Lagarde verlesenen Erklärung.

Mit einiger Spannung hatten Journalisten darauf gewartet, wie Lagarde Fragen zu dem Vorwurf begegnen würde, die EZB versuche die Spreads von Staatsanleihen der finanziell stärksten und schwächsten Länder zu begrenzen und habe sogar Zielgrößen dafür. Das hatten informierte Personen der Nachrichtenagentur Bloomberg im Vorfeld gesagt. Tatsächlich waren zum Beispiel die Renditen italienischer Staatsanleihen in jüngster Zeit trotz der Regierungskrise in Rom kaum gestiegen.

Lagarde: Einzelne Renditen derzeit kein Problem für EZB

Lagarde sagte auf eine entsprechende Frage: "Momentan sehen wir nicht, dass die Entwicklung irgendeiner speziellen Rendite ein Problem für die Finanzierungskonditionen des gesamten Euroraums darstellt." Die Einschätzung günstiger Finanzierungsbedingungen beruhe auf keinem einzelnen Indikator, es handele sich vielmehr um einen "ganzheitlichen Ansatz", der auf verschiedenen Indikatoren basiere. Zu diesen Indikatoren zählen nach ihrer Aussage die Kreditvergabe, die Kreditkonditionen sowie die Renditen von Unternehmensanleihen und von Staatsanleiherenditen.

Allerdings weist die EZB selbst gerne darauf hin, dass ihr das Pandemiekaufprogramm PEPP Flexibilität auch im Hinblick auf die Herkunft der anzukaufenden Anleihen gebe. Und Christine Lagarde erinnerte daran, dass das PEPP auch die Funktion habe, für die Übertragung des geldpolitischen Signals in alle Winkel des Euroraums zu sorgen. Mit anderen Worten: Wenn die EZB günstige Finanzierungsbedingungen will, dann müssen sie auch in Italien herrschen.

Lagarde sprach davon, dass die günstigen Finanzierungsbedingungen die neue "Nadel im Kompass" der EZB seien. Der Europa-Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski, kommentierte Lagardes Äußerungen eher sarkastisch: "Wie es scheint, ist die EZB ganzheitlich entschlossen, einen vielfältigen Ansatz zu verfolgen, und dabei zu tun, was sie für richtig hält", schrieb er in seinem Kommentar.

Commerzbank: EZB will vor allem Renditeaufschläge bestimmter Staatsanleihen begrenzen

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zweifelte Lagardes Aussagen schlicht an. "Tatsächlich dürfte es der EZB vor allem darum gehen, die Renditeaufschläge der Anleihen der besonders hoch verschuldeten Staaten zu begrenzen", schrieb er. Laut Krämer lässt sich beobachten, dass die EZB im Rahmen ihres PEPP-Programms immer dann mehr Staatsanleihen kauft wenn die Risikoaufschläge steigen.

Analysten sind der Ansicht, dass die EZB die Flexibilität des PEPP, dessen Volumen mit 1.850 Milliarden bestätigt wurde, noch stärker als zuvor betont habe. So wies Berenberg-Volkswirt Florian Hense darauf hin, dass die EZB wie im Vormonat betonte habe, dass das PEPP-Volumen einerseits nicht voll ausgeschöpft werden müsse, andererseits aber sogar aufgestockt werden könne, dass diese Aussage aber aus den Einleitenden Bemerkungen der Präsidentin in die offizielle geldpolitische Beschlussfassung "vorverlegt" worden sei.

Weniger Betonung wurde dagegen auf den seit Dezember leicht gesunkenen, aber im historischen Vergleich immer noch hohen Wechselkurs des Euro gelegt. Lagarde sagte zwar, dass die EZB Wechselkurse genau beobachte und dass für den Notfall "alle Instrumente auf dem Tisch" lägen, doch wurde das Thema weniger prominent als zuvor präsentiert.

Nordea: Euro-Wechselkurs nicht mehr so wichtig wie im Dezember

Nordea-Analyst Jan von Gericht wies darauf hin, dass die EZB die Passage, in der auf die negativen Auswirkungen des starken Euro für den Inflationsausblick hingewiesen wird, aus dem geldpolitischen Beschluss in die Einleitenden Bemerkungen der EZB-Präsidentin verlegt habe. "Das deutet darauf hin, dass die Sorgen über die rasche Aufwertung etwas nachgelassen haben", schrieb er.

Am Mittag hatte der EZB-Rat beschlossen, die Leitzinsen und die Wertpapierkaufprogramme sowie die sie betreffende Forward Guidance unverändert zu lassen. Erst im Dezember hatte die EZB ein sechspunktiges Maßnahmepaket auf den Weg gebracht, das in Reaktion auf die erwartete längere Dauer der Corona-Pandemie eine Verlängerung früherer Maßnahmen vorsah. Die nächste Ratssitzung - dann mit neuen Projektionen - steht am 11. März an.

DJG/hab/kla/25.01.2021

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