Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

Die EZB verlängert ihre Krisenmaßnahmen

Erscheinungsdatum Website: 04.12.2020 16:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 07.12.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag eine Verlängerung der Maßnahmen beschließen, die er im April und Juni in Reaktion auf die coronabedingten Abbruch der Wirtschaftsaktivität ergriffen hatte. Volkswirte erwarten, dass die EZB ihr Pandemiekaufprogramm um sechs bis zwölf Monate verlängern und um 250 bis 600 Milliarden Euro aufstocken wird.

Die Mehrheit von ihnen erwartet eine PEPP-Verlängerung bis Ende (derzeit: Mitte) 2021 und eine Aufstockung um 500 auf 1.850 (1.350) Milliarden Euro. Auch eine entsprechende Verlängerung der sehr günstigen Konditionen langfristiger und gezielter Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) wird erwartet, eine Zinssenkung dagegen nicht.

So ist die Ausgangslage: Die Konditionen der TLTRO waren bereits im April so gestaltet worden, dass Banken aus ihnen Liquidität zu einem Zins von 50 Basispunkten unterhalb des Einlagensatzes ziehen konnten, und zwar bis Juni 2021 und unter der Voraussetzung, dass sie das Vor-Corona-Niveau bei der Kreditvergabe aufrecht erhielten. Im Juni beschloss die EZB eine Aufstockung des PEPP auf 1.350 Milliarden Euro und eine Verlängerung bis Mitte 2021. Auch sagte sie zu, die Tilgungsbeträge fälliger Anleihen bis Ende 2022 voll wieder anzulegen.

Diese Beschlüsse fielen in einer Situation, als der wirtschaftliche Schaden, den die Pandemie im zweiten Quartal angerichtet hatte, offenkundig wurde. Zugleich aber wuchs die Zahl der Covid-19-Erkrankungen deutlich langsamer als im Frühjahr, und Sorgen über eine zweite Infektionswelle machte sich kaum jemand.

EZB hat wegen zweiter Pandemiewelle "Rekalibrierung" angekündigt

Inzwischen hat die Wirtschaft einen beträchtlichen Teil des Einbruchs vom Frühjahr wettgemacht, und Impfstoffe sind auch in greifbare Nähe gerückt. Zugleich aber rollt die zweite Pandemiewelle. Im Oktober sah sich die EZB deshalb genötigt, für Dezember, wenn neue makroökonomische Projektionen vorliegen werden, eine "Rekalibrierung" ihrer Instrumente in Aussicht zu stellen.

Allerdings gehen die Meinungen darüber auseinander, wie sich die Projektionen geändert haben. Viele Ökonomen erwarten deutlich niedrigere Wachstumsprognosen, manche etwas niedrigere, wieder andere sogar höhere. Mit Blick auf die Inflationsprognosen werden keine größeren Änderungen erwartet. Ausschlaggebend ist aus Sicht der Experten aber die Erwartung, dass die erstmals veröffentlichte Inflationsprognose für 2023 unbefriedigend ausfallen und nach weiteren Maßnahmen verlangen wird.

Äußerungen von EZB-Offiziellen deuten darauf hin, dass sich die EZB dabei auf PEPP und TLTROs konzentrieren wird. Allerdings wollten sie nicht kategorisch ausschließen, dass die Zentralbank auch noch andere Dinge aus dem Werkzeugkasten holt - zum Beispiel eine Senkung des Einlagensatzes. Volkswirte erwarten das allerdings nicht.

Spekulationen gehen über PEPP-Aufstockung und TLTRO-Verlängerung hinaus

Dafür kommen sie mit allerlei Prognosen, die eher Wünschen ähneln: Dass die EZB die Freistellung der Banken von negativen Einlagenzins erhöhen oder dass sie die Anleihen von Emittenten mit ehemals erstrangiger Bonität ("gefallene Engel") kaufen möge. Die Anrechnung von Immobilienkrediten bei der Festlegung des TLTRO-Vorzugszinses zählt ebenfalls dazu.

Auch um die Zukunft des klassischen QE-Programms APP ranken sich Spekulationen. Sie reichen von einer Zusammenlegung von APP und PEPP über die Übertragung bestimmter "flexibler Merkmale" von PEPP auf APP bis zu einer Aufstockung des APP-Monatsvolumens um 20 Milliarden Euro oder totale Flexibilität bei der Aufteilung der Käufe auf beide Programme.

Die EZB gibt ihre geldpolitischen Entscheidungen um 13.45 Uhr bekannt. Die Pressekonferenz mit Präsidentin Christine Lagarde beginnt gegen 14.30 Uhr. Eine weitere geldpolitische Entscheidung kommt in der Woche von der Bank of Canada, und zwar am Mittwoch (16.00 Uhr).

EZB veröffentlicht PEPP-Daten und begibt weiteren TLTRO

Eine weitere Veröffentlichung mit geldpolitischem Bezug ist die der Details zu den Anleihekäufen im Rahmen des Pandemiekaufprogramms PEPP - und zwar denen für Oktober und November (Montag, 15.45 Uhr). Im Mittelpunkt des Interesses steht die Aufteilung der Staatsanleihekäufe über die Länder des Euroraums. Die Zentralbanken des Eurosystems dürfen vorübergehend vom eingezahlten Anteil am EZB-Kapital als Richtgröße dieser Käufe abweichen.

Es wird aber stets betont, dass bei Beendigung des Programms die PEPP-Bestände dem Kapitalschlüssel entsprechen müssen. Je stärker die Zentralbanken im Programmverlauf davon abweichen und beispielsweise italienische oder spanische Papiere übergewichten, desto schwerer ist der erwünschte Endzustand herzustellen.

Am Donnerstag (11.30 Uhr) begibt die EZB das - nach bisheriger Beschlusslage - vorletzte der langfristigen und gezielten Refinanzierungsgeschäfte der dritten Serie (TLTRO3). Die Konditionen sind sehr günstig: Banken erhalten Liquidität aus diesen Geschäften bei Erfüllung bestimmter Kriterien bezüglich ihrer Kreditvergabe zu einem Zinssatz, der um 50 Basispunkte unterhalb des Einlagensatzes liegt, also bei minus 1,00 Prozent. Das gilt bis 24. Juni 2021.

Rund zwei Stunden nach Veröffentlichung des Zuteilungsbetrags teilt die EZB mit, wie sie sich die Zukunft der TLTROs vorstellt. Manche Analysten spekulieren auf eine nochmalige Lockerung der Konditionen. Eine Verlängerung der TLTRO über März 2021 hinaus gilt ohnehin als ausgemacht.

Deutsche Produktion steigt im Oktober um 1,5 Prozent

Zu den wichtigsten Konjunkturdaten: Die Produktion im produzierenden Sektor Deutschlands dürfte im Oktober gestiegen sein. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass sie gegenüber dem Vormonat um 1,5 Prozent zugenommen hat, nachdem sie im September um 1,6 Prozent angezogen hatte. Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlicht die Daten am Montag um 8.00 Uhr.

Hoffnung auf ein sogar noch etwas kräftigeres Produktionsplus macht vor allem der Zuwachs bei den Umsätzen im verarbeitenden Gewerbe um 4,0 Prozent. Die Korrelation zwischen diesen beiden Datenreihen war in letzter Zeit wieder sehr gut. Aber auch der Anstieg der Auftragseingänge um 2,9 Prozent lässt Produktionszuwächse erwarten. Am Mittwoch (8.00 Uhr) kommen die Daten zur deutschen Handelsbilanz und den Exporten im Oktober.

Am Montag (10.30 Uhr) veröffentlicht das Beratungsunternehmen Sentix seine Konjunkturindizes für Deutschland und den Euroraum, am Dienstag (11.00 Uhr) folgt der Index der Konjunkturerwartungen für Deutschland des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

DJG/hab/apo/smh

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