Euro Intern

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EZB stimmt Märkte auf umfangreiche Lockerung im Dezember ein

Erscheinungsdatum Website: 30.10.2020 17:40:02
Erscheinungsdatum Publikation: 02.11.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Aussichten für die Erholung der Euroraum-Wirtschaft vom coronabedingten Einbruch im Frühjahr haben sich durch die zweite Pandemiewelle so stark eingetrübt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) eine weitere geldpolitische Lockerung im Dezember vorbereitet. In bisher nicht da gewesener Weise stellte der EZB-Rat in seinem geldpolitischen Statement eine "Rekalibrierung" seiner Instrumente für die nächste Sitzung im Dezember in Aussicht. Analysten sind sich einig, dass es im Ergebnis zu einer Ausweitung des Pandemiekaufprogramms PEPP kommen wird. Es ist aber durchaus noch mehr möglich, wie Präsidentin Christine Lagarde in ihrer Pressekonferenz deutlich machte.

"Wenn wir sagen, wir rekalibrieren unsere Instrumente, dann meinen wir alle Instrumente", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der Ratssitzung. Die EZB werde herausfinden, was die optimale Art sei, das eine oder andere Instrument einzusetzen. "Wir werden an der Dauer und am Volumen arbeiten und an der Attraktivität", sagte sie. Die zuständigen Stellen seien gerade dabei, genau das zu tun.

Analysten erwarten PEPP-Aufstockung und günstigere Bankenrefinanzierung

Viele Analysten erwarten, dass die EZB im Dezember ihr Pandemiekaufprogramm PEPP um 300 bis 600 Milliarden Euro aufstocken und bis Ende 2021 verlängern wird. Sie gehen zudem davon aus, dass die EZB entweder den Zins ihrer TLTRO-Refinanzierungsgeschäfte weiter senken und/oder ihren Zinsvorteil über Juni 2021 hinaus verlängern wird.

"Das PEPP dürfte ausgeweitet werden, und die TLTROs sind auch auf der Agenda, alles weitere muss man abwarten", sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe. Mit einer Senkung des Einlagensatzes rechnet er nicht. Nordea-Volkswirt Jan von Gerich will auch ein darüber hinaus gehendes "großes Paket" nicht ausschließen.

Welche Instrumente die EZB tatsächlich einsetzen wird und wie stark, wird von den Projektionen des volkswirtschaftlichen Stabs der EZB abhängen die dem Rat zu seine Beratungen im Dezember vorliegen werden. Und das wiederum wird vom Pandemieverlauf und auch von der sich abzeichnenden fiskalpolitischen Reaktion abhängen. Im September hatten die Experten für das dritte Quartal einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 8,4 Prozent vorausgesagt, gefolgt von einem Plus von 3,1 Prozent im vierten Quartal.

Lagarde sagte, zwar könnte der BIP-Anstieg im dritten Quartal positiv überraschen, doch sei für das vierte Quartal allein schon wegen eines sehr schlechten Novembers eine starke Abschwächung zu erwarten. Ob die Wirtschaftsleistung sinken werde, könne sie allerdings nicht sagen, sagte Lagarde. "Die hereinkommenden Informationen deuten darauf hin, dass die Erholung im Euroraum rascher als erwartet an Schwung verliert", sagte sie. Vor allem im Dienstleistungssektor sei die Aktivität sichtlich gebremst.

Lagarde sieht keine Deflationsrisiken für Euroraum

Im Hinblick auf die Inflationsaussichten äußerte sich die EZB-Präsidentin vorsichtiger. Sie sagte, die Gesamtinflation werde von niedrigen Energiepreisen gedämpft und die Kerninflation von der schwachen Nachfrage sowie von ungenutzten Kapazitäten in den Arbeits- und Produktmärkten. Zugleich machte sie aber deutlich, dass die EZB derzeit keine Deflationsrisiken sieht. Deflation sei ein sich selbst verstärkender Prozess und habe nichts mit den derzeit zu beobachtenden Einmalfaktoren wie Mehrwertsteuersenkungen zu tun. "Die Inflation wird 2021 wieder in den positiven Bereich drehen", sagte sie.

Aus dem EZB-Statement und Aussagen Lagardes lässt sich herauslesen, dass die EZB ihre Hände nicht bis 10. Dezember in den Schoß legen wird - schließlich werden die Lockdown-Maßnahmen in Deutschland und Frankreich schon jetzt wirksam. Im Statement wird eine flexible Anwendung des PEPP in Aussicht gestellt, sprich: Die Zentralbanken des Eurosystems werden ab sofort wohl nicht mehr nur Anleihen für 11 bis 13 Milliarden Euro pro Woche kaufen sondern mehr.

DJG/hab/jhe/02.11.2020

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