Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EU-Politiker McAllister: Ausgang der Brexit-Gespräche ungewiss
Erscheinungsdatum Website: 15.10.2020 16:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 16.10.2020
BERLIN (Dow Jones)--Aus Sicht der europäischen Unterhändler ist ein Handelsabkommen mit Großbritannien noch immer nicht in Sicht. "Nach wie vor ist der Ausgang der Verhandlungen völlig ungewiss", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament (EP), David McAllister (CDU), vor dem EU-Gipfel in Brüssel am heutigen Donnerstag. Die Chance für ein Abkommen sei da, "aber es gibt noch große Hürden zu überwinden".
McAllister: Bis 31. Oktober muss ein Vertrag vorliegen
Die Brexit-Verhandlungen stehen unter enormem Zeitdruck: Die Europäer erwarten laut McAllister bis spätestens 31. Oktober einen fertigen, unterschriftsreifen Vertragstext. Nur so könne ab Anfang November eine ordnungsgemäße parlamentarische Kontrolle möglich sein, inklusive Rechtsprüfung und Übersetzungen in alle EU-Sprachen. Die Beschlussfassung im Europäischen Dezember sei für die Plenarwoche vom 14. bis 17. Dezember geplant, so der frühere niedersächsische Ministerpräsident.
Am heutigen 15. Oktober läuft eine weitere Frist zur Einigung ab, die der britische Premier Boris Johnson zuvor gesetzt hatte. Sollten auch die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen keinen Durchbruch erreichen und am Ende kein Abkommen zustandekommen, scheidet Großbritannien am 1. Januar 2021 aus der EU aus. "Wir wollen ein Abkommen, aber nicht um jeden Preis", betonte McAllister bei einem Online-Gespräch des EP-Verbindungsbüros in Berlin. "Wir werden nicht vom Tisch aufstehen, sondern bis zur letzten Minute etwas versuchen."
Britische Seite bewegte sich zuletzt bei den Beihilfen
Zuletzt habe es auf britischer Seite zumindest bei der Frage der Beihilfen eine Bewegung gegeben, "die auf einen möglichen Konsens zugehen könnte", erklärte McAllister. Die EU-Seite will ausschließen, dass die Regierung von Boris Johnson staatliche Beihilfen nutzt, um Handelsvorteile zu erzielen. Dazu fordern die Brüsseler Verhandler sowohl einen rechtlichen Rahmen, die Einrichtung einer unabhängigen Behörde mit Durchsetzungsmöglichkeit, als auch einen Streitbeilegungsmechanismus.
Keine Fortschritte sehen die Verhandler bei der Frage einer Governance-Struktur mit übergeordneten Regeln sowie der Fischerei. Die Europäer wollen sowohl ein separates Fischereiabkommen als auch ständig neue Gespräche über Fangquoten verhindern. "Jährliche Verhandlungen sind da völlig absurd", sagte der Vorsitzende des Ausschusses für internationalen Handel, Bernd Lange (SPD).
Binnenmarktgesetz noch fraglich
Hart bleiben will die EU-Seite auch bei der Frage des umstrittenen Binnenmarktgesetzes. Wegen der Änderungen am Brexit-Vertrag hatte die EU zuvor ein rechtliches Verfahren gegen Großbritannien eingeleitet. Wenn es hier nicht zu Änderungen komme, "werden wir ein Abkommen nicht unterzeichnen", so Lange. Die EU will insbesondere verhindern, dass es in Nordirland zu einer harten Grenze kommt.
Offen sind auch Fragen des Datenschutzes - hier wolle die britische Seite über mögliche Äquivalenzsysteme zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung beraten - und der Arbeitnehmerentsendung. Bei Finanzdienstleistungen sei es auch nicht möglich zu sagen, "wir wollen den vollen Marktzugang, aber keine europäische Aufsicht", sagte Lange. Der EU-Handelsexperte sieht aber grundsätzlich "in allen Punkten Verhandlungsspielraum". Die Chancen für ein Abkommen sieht er dennoch bei 60 zu 40.
Vorbereitungen zum harten Brexit laufen
Dennoch bereitet sich die EU-Seite auch auf den Fall eines harten Brexits zum Jahreswechsel vor, um die Auswirkungen etwa im Luftverkehr und Transportwesen abzumildern, so McAllister. Für Finanzdienstleistungen wird laut seinem Kollegen Lange eine Übergangszeit von anderthalb Jahren geprüft. Auch für Zertifizierungen und Typprüfungen von Autos oder dem Vertrieb der rund 2000 in Großbritannien zugelassenen Medikamente laufen die Vorbereitungen.
DJG/pso/sha