Nachrichten für Außenhandel (NfA)

"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.
Die NfA liefert hochwertige und praxisrelevante Hintergrundinformationen, ausführliche Analysen und Bewertungen - deutlich umfassender als in der Wirtschaftstagespresse. Im Fokus stehen die deutschen Exportbranchen mit Schwerpunkt auf Investitionsgütern
Deutschland: Die Aussichten sind verhalten
Erscheinungsdatum Website: 12.10.2020 16:00:04
Erscheinungsdatum Publikation: 13.10.2020
Einzig China ist von der Krise nicht betroffen
BERLIN (NfA/MBI)--Die Corona-Krise und der Einbruch der deutschen Industrie lässt die Rohstahlerzeugung in Deutschland in diesem Jahr wohl um knapp 15% sinken. Im kommenden Jahr werden Rohstahlerzeugung und Stahlverwendung zwar um 10,9 beziehungsweise 6,2% zunehmen, damit aber noch nicht das Vorkrisenniveau erreichen. In der deutschen Stahlindustrie dürften 2021 im Jahresdurchschnitt weitere 3.000 Stellen wegfallen. Davon geht das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in seinem aktuellen "Stahlbericht? aus.
Die Rohstahlerzeugung in Deutschland lag von Januar bis August 2020 um 16,5% unter dem Vorjahr. 2021 dürfte sie um 10,9% auf 37,5 Mio t steigen. Die Erzeugungskapazitäten könnten dann zu gut 75% ausgelastet sein. "Dies ist ein im längerfristigen Vergleich niedriger Wert?, betont das RWI.
Mit der Belebung der internationalen Konjunktur würden die Ausfuhren von Walzstahl wohl zulegen. Da die Einfuhren ebenfalls steigen dürften, wird sich der Saldo des Außenhandels mit gewalzten Stahlprodukten nur wenig ändern, warnen die Essener Wirtschaftsforscher. Angeregt werde die Nachfrage nach Stahl dadurch, dass Hersteller, Handel und Verwender im Zuge der besseren Konjunktur ihre Lager aufstocken.
Die globale Rohstahlerzeugung lag in den ersten acht Monaten dieses Jahres um 4,2% unter dem Vorjahreswert. Im Jahresdurchschnitt dürfte sie um gut 3% sinken. Das Minus fällt nicht stärker aus, weil sich China von der Corona-Krise früher und rascher erholte als andere Länder. Während seine Rohstahlerzeugung bereits im zweiten Quartal um 3% gegenüber dem Vorjahr stieg, verschärfte sich in nahezu allen anderen Ländern der Produktionseinbruch. Durch die regionalen Unterschiede steigt der Anteil Chinas an der weltweiten Stahlerzeugung auf 60%.
Auch im kommenden Jahr werde sich der Stahlmarkt wohl zweigeteilt entwickeln. Während die fortgeschrittenen Volkswirtschaften das Vorkrisenniveau wohl noch nicht erreichen werden, dürfte die Stahlerzeugung in China weiter expandieren. Insgesamt könne die weltweite Rohstahlerzeugung im kommenden Jahr um etwa 6% zunehmen.
Die deutsche Stahlindustrie steht laut RWI vor großen Herausforderungen auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite. Nachfrageseitig sinkt wohl der Stahlbedarf, weil deutsche Autohersteller im Übergang zur E-Mobilität ausländische Märkte verstärkt durch Produktionsstätten vor Ort bedienen. Für die deutsche Stahlindustrie könnten dadurch strukturelle Überkapazitäten entstehen.
Angebotsseitig ist die Dekarbonisierung der Stahlerzeugung eine Herausforderung, blickt das RWI in die Zukunft. Das größte Potenzial, um "grünen Stahl? zu erzeugen, biete die Wasserstofftechnologie. Eine Umstellung benötige jedoch Zeit und erhebliche Investitionen, die für die Stahlindustrie in der aktuellen Situation schwierig zu finanzieren sein dürften.
Staatliche Hilfen an die Stahlindustrie könnten laut RWI den größten industriellen Emittenten helfen, ihren CO2-Ausstoß gemäß den deutschen Klimazielen zu reduzieren. Andererseits sei die Gefahr groß, dass staatliche Hilfen den Strukturwandel in der Industrie behindern, insbesondere den Kapazitäts- und damit verbundenen Beschäftigungsabbau.