Nachrichten für Außenhandel (NfA)

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"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.

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Welt: Die alte Ordnung am Ölmarkt steht vor dem Umbruch

Erscheinungsdatum Website: 24.09.2020 15:45:03
Erscheinungsdatum Publikation: 25.09.2020

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Erzeugerländer müssen neue Anreize schaffen / Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Lange verband man das Erdölgeschäft mit einem relativ reifen Markt ohne große Veränderungen. Doch bald schon könnte die Uhr für den Ölmarkt um Jahrzehnte zurückgedreht werden. Obwohl wenig Einigkeit über den Zeitpunkt besteht, erwarten viele, dass die Nachfrage nach Rohöl in den kommenden Jahren ihren Höhepunkt überschreiten wird - sofern dies nicht bereits geschehen ist. BP argumentiert, dass 2019 schon der Wendepunkt erreicht war. Andere gehen davon aus, dass der Rückgang Mitte der 2020er oder sogar erst Mitte der 2030er-Jahre einsetzen wird.

Die Gefahr eines Nachfragerückgangs untergräbt eine Strategie, die den Markt fast hundert Jahre lang regulierte: In Zeiten des Überflusses einigen sich die konkurrierenden Produzenten darauf, heute weniger zu pumpen, damit die Preise auch morgen noch Gewinn versprechen. Doch dieser Ansatz funktioniert nicht mehr, wenn die Nachfrage stetig sinkt. Ungeduld erfasst die Erzeugerländer, wenn es darum geht, ihre Vorräte loszuwerden und das Öl aus dem Boden zu bekommen.

In diesem Jahr hat eine Ölschwemme in Verbindung mit dem durch das Coronavirus verursachten Nachfragerückgang von 20% einen Vorgeschmack auf die Zukunft geliefert.

Wahrscheinlicher als ein Absturz ist, dass die Ölnachfrage nach ihrem Höhepunkt ein Plateau erreicht oder in einen sanften Rückgang übergeht. "Sobald die Nachfrage jedoch abnimmt, werden die Preise volatiler und geraten in einen Abwärtstrend, ähnlich wie wir dies bei Kohle und Heizöl zur Stromerzeugung bereits erlebt haben", sagt Artyom Tchen vom Research-Unternehmen Rystad Energy.

Die Erzeugernationen müssen sich voneinander absetzen, um Unternehmen davon zu überzeugen, ausgerechnet in ihrem Land zu bohren. Geographie und Geologie können nicht verändert werden, aber die Politik kann Steuern und Vorschriften anpassen. Der Wettbewerb läuft bereits, sagt Alan Gelder von der Forschungs- und Beratungsgruppe Wood Mackenzie. Norwegen, Russland und Angola zählen zu den Ländern, die neue Anreize in Betracht ziehen.

Daraus könnte eine Verschiebung von historischer Tragweite resultieren. Die "Sieben Schwestern" genannten transnationalen Ölunternehmen des frühen Kartells arbeiteten als Vorgänger der heutigen Supermajors seit Mitte des 20. Jahrhunderts zusammen, um Produktion und Preise in Einklang zu bringen. Die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec), der sich schließlich Russland anschloss, übernahm diese Aufgabe und hat in den vergangenen 60 Jahren kaum etwas daran geändert.

Die seit 2010 steigende US-Schieferproduktion aber hat den Einfluss der Opec+ bereits geschwächt. Die Preise sind volatiler geworden: Drei der fünf großen Ölpreissenkungen seit dem Zweiten Weltkrieg fielen in die letzten 15 Jahre. Das Kartell hatte schon Anfang dieses Jahres eine "Nahtoderfahrung", konnte sich aber in der aktuellen Krise wieder fangen.

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