Nachrichten für Außenhandel (NfA)

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Belarus: Der Kampf ums finanzielle Überleben

Erscheinungsdatum Website: 22.09.2020 14:55:05
Erscheinungsdatum Publikation: 23.09.2020

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Russische Kredite sind mehr Schein als Sein / Von Martin Klingsporn

MOSKAU (NfA)--?Belarus ist ein zuverlässiger Schuldner, der alle Zahlungen pünktlich leistet?, erklärte der russische Finanzminister Anton Siluanow der amtlichen Agentur ?TASS?. Er glaube, dass das Land ein sehr guter Schuldner sei, fügte er hinzu. Zudem sei der kürzlich an Belarus vergebene Kredit über 1,5 Mrd Dollar auch im Interesse der russischen Wirtschaft, weil es damit keine Zahlungsrückstände zulasten der heimischen Lieferanten gebe. Zugleich kündigte er eine Streckung der Auszahlung des Kredits an: Im laufenden Jahr werde 1 Mrd Dollar an Minsk gezahlt, im kommenden Jahr die zweite Rate über 500 Mio.

Der russische Kredit im Wert von 1,5 Mrd Dollar an Belarus hilft dem Lukaschenko-Regime allerdings kaum, denn er bringt kein frisches Geld in die Staatskasse. Er stellt lediglich die Prolongation fälliger Verbindlichkeiten gegenüber Russland sicher und wendet damit lediglich die sofortige Zahlungsunfähigkeit der Minsker Regierung ab. Nach Angaben der russischen Ratingagentur ACRA werden allein bis Ende dieses Jahres belarussische Verbindlichkeiten im Volumen von 1,5 Mrd Dollar fällig. Rund 1,2 Mrd gehen an den russischen Staat, zuzüglich eines Gazprom-Kredits über 325 Mio Dollar. Der von Putin scheinbar so großzügig gewährte Kredit verlässt Russland also gar nicht, sondern wird verrechnet. Schätzungen der Moskauer Hochschule für Wirtschaft zufolge summieren sich die Hilfen Moskaus auf mehr als 130 Mrd Dollar über die letzten 15 Jahre. Angesichts dieser Beträge lässt die Geduld mit Lukaschenko offenbar nach.

Indes ist das Problem der Staatsschulden im engeren Sinne angesichts der Währungsreserven von aktuell 3,7 Mrd Dollar lösbar. Schwerwiegender sind die Probleme von Banken und Industrie, die erheblich größere Beträge in fremder Währung bedienen müssen. Nach ACRA-Schätzungen sind die allein bis Jahresende fälligen Währungskredite von Banken und Industrie nur zu etwa 45% durch die Währungsreserven gedeckt, was rechnerisch Forderungen von rund 8,2 Mrd Dollar ergibt.

Die dazu nötigen Mittel werden kaum am freien Markt aufzutreiben sein. Die von Belarus zu zahlenden Risikoprämien ziehen kontinuierlich an in einem Umfeld mit Sanktionsdrohungen der westlichen Staaten, einer Streikwelle vor allem in den exportorientierten Branchen und der Flucht der Bürger aus der heimischen Währung. Die privaten Haushalte horten die dringend benötigten Devisen und entziehen diese Mittel dem Kreislauf. Ohne Zugriff von Staat und Notenbank auf diese wird es schwierig, die Auslandsverbindlichkeiten zu begleichen.

Neben Russland kommt nur noch China als Geldgeber infrage, das allerdings vor allem stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse schätzt, was in Belarus derzeit nicht wirklich gegeben ist. Zudem hat Belarus kaum Investitionsprojekte zu bieten, die aus chinesischer Sicht interessant sein könnten. Es ist also fraglich, ob das Lukaschenko-Regime noch lange überleben kann. Das absolute Minimum an Auslandsmitteln, um die Zahlungsfähigkeit zu erhalten, liegt nach ACRA-Schätzungen bei 3 bis 4 Mrd Dollar jährlich. Reißt Lukaschenko diese Latte, wird seine Macht durch einen Staatsbankrott beseitigt.

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