Euro Intern

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EZB will Anleihekaufprogramm PEPP voll umsetzen

Erscheinungsdatum Website: 17.07.2020 17:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 20.07.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) denkt nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde derzeit nicht an eine vorzeitige Beendigung des Pandemiekaufprogramms PEPP und macht sich über eine stärkere Orientierung dieser Käufe an den EZB-Kapitalanteilen keine Gedanken. In der Pressekonferenz nach der aktuellen Ratssitzung erklärte die EZB-Präsidentin außerdem, dass die EZB eine stärkere Freistellung der Banken vom negativen Einlagensatz gegenwärtig für unnötig halte.

Zuvor hatte der EZB-Rat beschlossen, die Geldpolitik unverändert zu lassen. Sowohl die Leitzinsen als auch die Wertpapierkaufprogramme und die sie betreffende Forward Guidance wurden bestätigt.

Rückkehr zu Kapitalschlüssel darf Wirksamkeit Geldpolitik nicht beeinträchtigen

"Wir werden niemals zulassen, dass eine Konvergenz zum Kapitalschlüssel, die es ab einem bestimmten Punkt geben wird, die Wirksamkeit der Geldpolitik beeinträchtigt, die wir verfolgen müssen", sagte Lagarde auf die Frage, wie viel Zeit sich die EZB bei der Rückkehr der PEPP-Käufe zu den Anteilen der nationalen Zentralbanken am eingezahlten EZB-Kapital lassen wolle.

Lagarde zufolge ist der Kapitalschlüssel zwar eine Orientierungsgröße, aber entscheidend für die Effektivität, Effizienz und "Proportionalität" des PEPP sei, dass die EZB hinsichtlich Tempo, Anleiheklassen und Ländern flexibel sei.

Die Idee, dass die EZB das volle PEPP-Volumen von 1.350 Milliarden Euro ja nicht ausschöpfen müsse, wies Lagarde zurück. Eine volle Ausnutzung sei das Basisszenario, von dem nur im Falle einer deutlichen positiven Überraschung abgewichen werden dürfte, sagte Lagarde und fügte hinzu: "Das ist derzeit aber nicht absehbar."

EZB hat PEPP-Käufe zuletzt etwas gebremst

Die EZB nutze die beim PEPP mögliche Flexibilität und habe ihre Käufe zuletzt etwas gebremst, nachdem sie bis Juni ein starkes Frontloading betrieben habe. Lagarde erinnerte daran, dass das PEPP zwei Funktionen habe: Sicherstellung der geldpolitischen Transmission und geldpolitische Akkommodation.

Die EZB ist bei Staatsanleihekäufen unter dem PSPP-Programm an den Kapitalschlüssel sowie an Emittenten- und Emissionslimits gebunden, beim PEPP jedoch nicht. Alexander Krüger, der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, nimmt deshalb auch an, dass die EZB gegen Jahresende das PEPP aufstocken wird, nicht das APP-Programm, zu dem das Public Sector Purchase Programme (PSPP) gehört. "Sie werden das PEPP aufstocken, weil sie da freiere Hand haben", sagte Krüger.

Die EZB kauft im Rahmen des PEPP wöchentlich rund dreimal soviel Papiere wie im Rahmen des APP. Genauere Informationen über die Zusammensetzung der Käufe liefert die EZB aber nur alle zwei Monate, das nächste Mal Anfang August. In den Monaten April und Mai wurden sowohl im Rahmen des APP als auch im Rahmen des PEPP italienische Anleihen deutlich übergewichtet, im Rahmen des PEPP aber auch deutsche und portugiesische.

Analysten gehen davon aus, dass Emittenten- und Emissionslimits beim PSPP bald zu einer begrenzenden Größe werden. Daher hat die EZB ein Interesse daran, sich via PEPP Handlungsfähigkeit zu bewahren.

PEPP soll so lange wie "Corona-Krisenphase" dauern

In ihrem Geldpolitischen Statement schrieb die EZB, dass die PEPP-Käufe so lange fortgeführt würden, bis "die Corona-Krisenphase" vorbei sei. Ausgemacht ist im EZB-Rat, dass die am Ende der Nettokäufe - frühestens Mitte 2021 - vorhandenen Anleihebestände den EZB-Kapitalschlüssel spiegeln müssen. Analysten vermuten, dass das in der Wiederanlagephase geschehen könnte, die nach derzeitigem Stand bis mindestens Ende 2022 laufen soll.

Das würde allerdings bedeuten, dass sich die Märkte bis dahin so weit beruhigt haben, dass die EZB italienische Papiere untergewichten kann. Denn einen starken Anstieg der Renditen würde die EZB laut Lagarde nicht tolerieren.

Manche Analysten hatten gehofft, dass die EZB die Banken stärker von den Wirkungen des negativen Einlagenzinses von derzeit minus 0,50 Prozent freistellen würde. Diesen Gefallen tat die EZB den Banken jedoch nicht. Nach Lagardes Worten sieht die EZB derzeit keine Notwendigkeit dafür. "Wir haben darüber nicht diskutiert", sagte sie. Das System eines zweistufigen Einlagenzinses funktioniere gut und habe die beabsichtigte Wirkung.

Stärke und Tempo der Konjunkturerholung sind unsicher

Lagarde zufolge ist der Rat angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen mit der Ausrichtung der Geldpolitik gegenwärtig zufrieden. Für das dritte Quartal sei mit einer Erholung der Euroraum-Wirtschaft zu rechnen. Zugleich warnte Lagarde aber: "Stärke und Tempo der Erholung sind sehr unsicher."

Die jüngsten Informationen deuteten darauf hin, dass die ökonomische Aktivität im April und Mai stark angezogen habe. Allerdings bremsten Job- und Einkommensverluste sowie die hohe Unsicherheit Konsum und Investitionen. Die bisherige Entwicklung bestätige grob die im Juni veröffentlichten EZB-Stabsprojektionen. Die Risiken für den Wachstumsausblick seien abwärts gerichtet. Die EZB sei bereit, alle ihre Instrumente falls erforderlich anzupassen.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer prognostizierte: "Die EZB dürfte das PEPP-Programm verlängern oder das Volumen des regulären APP-Anleihekaufprogramms erhöhen, wenn die 1.350 Milliarden Euro des PEPP-Anleihekaufprogramm bis Mitte nächsten Jahres ausgegeben sind." Die Märkte hätten sich an die hohen Kaufvolumina gewöhnt, so dass eine merkliche Reduktion der Käufe die Anleihen der hoch verschuldeten südlichen Mitgliedsländer unter Druck bringen könnte. "Das würde die EZB auf jeden Fall verhindern wollen."

Unicredit-Volkswirt Marco Valli ist ebenfalls der Ansicht, dass die EZB gegen Jahresende "mehr tun muss", da die Inflation wegen ungenutzter Kapazitäten mittelfristig niedrig bleiben werde.

DJG/hab/smh/20.07.2020

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