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Siemens Energy will aus der Kohleverstromung aussteigen

Erscheinungsdatum Website: 09.07.2020 17:35:03
Erscheinungsdatum Publikation: 10.07.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der neue Energietechnikkonzern Siemens Energy will sich aus dem Geschäft mit der Kohleverstromung verabschieden. Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser sagte auf der außerordentlichen Hauptversammlung, er habe den Vorstand gebeten, "zügig einen stakeholdergerechten Plan zum Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kohle vorzulegen".

Der Ausstiegsplan werde "verantwortungsvoller sein, als manche Aktivisten das einseitig fordern, aber sicher konsequenter als Zögerlinge dies für notwendig halten", versprach Kaeser, der an der Spitze des Aufsichtsrates von Siemens Energy stehen soll. Damit dürfte sich das Unternehmen künftig nicht mehr an neuen Kohlekraftwerksprojekten beteiligen, den Service an Altanlagen aber fortsetzen.

Siemens Energy erklärte, "ein Team wird nun eingehend prüfen, welche Konsequenzen ein Kohleausstieg für unser Unternehmen, unsere Kunden und unsere Mitarbeiter hätte. Im Anschluss werden wir die Ergebnisse in den zuständigen Gremien erörtern und dann eine Entscheidung treffen." Das Volumen des Geschäfts, auf das damit verzichtet wird, dürfte überschaubar sein. Aus Unternehmenskreisen hieß es, der Umsatzverlust werde den Konzern nicht ins Wanken bringen.

Auf der virtuellen Hauptversammlung des Mutterkonzerns soll der letzte Baustein des von Kaeser vorangetriebenen radikalen Konzernumbaus beschlossen werden. Unter seiner Ägide hatte sich Siemens von Osram getrennt, die Medizintechnik an die Börse gebracht und das Windenergiegeschäft mit der spanischen Gamesa verschmolzen. Mit Siemens Energy trennt sich der Konzern von weiteren 91.000 Mitarbeitern und rund einem Drittel seines restlichen Geschäfts, und konzentriert sich auf digitale Industrieautomatisierung, kluge Infrastrukturen und die Bahntechnik.

Siemens Energy soll am 28. September im Wege eines Spinoffs in Frankfurt an der Börse notiert werden. 55 Prozent der knapp 727 Millionen Aktien bekommen die Siemens-Aktionäre unmittelbar zuvor in ihr Depot gebucht. Für je zwei Siemens-Aktien erhalten sie jeweils eine Aktie der Siemens Energy AG.

Kaeser warb für die Aufspaltung. "Die Verselbstständigung des Siemens-Energiegeschäfts ist weder ein Schnellschuss noch eine Notlösung, weder eine Zerschlagung noch eine Modeerscheinung", sagte er. Die Welt verändere sich immer schneller. Stärker fokussierte Unternehmen seien gegenüber traditionellen Konglomeraten im Vorteil.

"Konglomerate können Vieles gut, aber nur Weniges, was künftig wichtig ist, wirklich sehr gut", sagte Kaeser. "Die größte Gefahr ist dabei die - vermeintlich schützende - Sozialisierung starker und schwacher Geschäfte." Der Kardinalfehler, auch schwache Geschäfte mit durchzuschleppen, habe schon "Industrie-Ikonen dies- und jenseits des Atlantiks in existenzielle Nöte gebracht".

Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe sagte, das Kontrollgremium unterstütze die Pläne Kaesers. Siemens Energy werde in der Lage sein, "den globalen Wandel der Energiesysteme hin zu erneuerbaren Energien noch flexibler, schneller und entschlossener voranzutreiben".

Auch bei Aktionären wurde überwiegend Zustimmung signalisiert. Vera Diehl von Union Investment sagte, "die Abspaltung ermöglicht bei der Siemens AG eine schlankere Struktur und den Fokus auf Zukunftsgeschäfte". Das habe der Kapitalmarkt schon lange gefordert. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) stellte jedoch die Frage, ob die Bewertung beim Spinoff richtig sei.

Winfried Mathes vom Sparkassen-Fondshaus Deka macht sich Sorgen um die Krisenfestigkeit des verbleibenden Siemens-Geschäfts. Gerade das künftige Kerngeschäft habe in der Corona-Krise Gewinneinbußen hinnehmen müssen. "Da zeigt sich, dass der Schuss einer allzu starken Fokussierung in Krisenzeiten auch nach hinten losgehen kann." Gegen die Abspaltung stimmen will der Verein der Belegschaftsaktionäre - einer von zwei solchen Vereinen. Er hält rund 0,3 Prozent des Grundkapitals von Siemens.

Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas äußerte die Erwartung, dass die Börsenbewertungen von Siemens AG und Siemens Energy AG zusammen nach der Aufteilung höher sein werden als die der heutigen Siemens AG.

chem

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