Märkte der Welt

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Europa öffnet die Wirtschaft - aber verhindert den Ausverkauf

Erscheinungsdatum Website: 27.05.2020 15:25:02
Erscheinungsdatum Publikation: 04.06.2020

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Übernahmen taumelnder Unternehmen auf dem Prüfstand / Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Man sollte sich nicht von den niedrigen Bewertungen täuschen lassen: Konzerne in Europa stehen nicht zum Verkauf. Europäische Unternehmen sind relativ zu ihren US-Rivalen günstig bewertet. Jenseits des Atlantiks verfügen die Konzerne über einen starken Dollar und hohe Bewertungen, womit sie auf Einkaufstour gehen könnten. Aber es formieren sich neue Hürden, die Übernahmen europäischer Unternehmen von außen erschweren. Die europäischen Behörden rüsten ihre Instrumente auf, um einen Ausverkauf wichtiger Unternehmen zu verhindern.

Die EU müsse "wachsam" sein und ihre strategischen Interessen durchsetzen, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Interview mit "Bloomberg TV" vergangene Woche. Sie ist diejenige, die entscheidet, ob Unternehmenszusammenschlüsse genehmigt werden oder nicht und sie hat deutlich gemacht, dass Europa zwar ausländischen Direktinvestitionen offen gegenübersteht, Übernahmen durch staatlich gestützte Unternehmen aber nicht erwünscht sind, ebensowenig wie Übernahmen durch ausländische Unternehmen, die nur hinter der Technologie her sind - Seitenhiebe auf China und die USA.

Die EU, die für ihre Mitgliedsstaaten strenge Regeln gegen staatliche Unterstützung hat, sieht den Wettbewerbsvorteil staatlich gestützter chinesischer Unternehmen gegenüber EU-Rivalen schon lange. Seit der Krise haben sich die Sorgen verstärkt. Ab Oktober will die EU neue Möglichkeiten haben, große ausländische Direktinvestitionen in wichtigen Wirtschaftssektoren zu durchleuchten. Ihre Meinung wird einen wichtigen Einfluss haben, ist aber nicht bindend: Die letzte Entscheidung liegt bei den Mitgliedstaaten.

Mehr als die Hälfte der Länder hat bereits ein Gremium, das dem Committee on Foreign Investment in the U.S. entspricht, das Übernahmen von US-Unternehmen aus dem Ausland prüft. Die EU ist dringend dafür, dass auch die restlichen Mitgliedstaaten ihre eigenen Prozesse zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen einrichten. Sie sollen auch andere Instrumente nutzen, etwa die Möglichkeit zur Beteiligung an wichtigen Unternehmen mit einer Sperrminorität, um Übernahmen zu verhindern.

Sobald diese Prüfung erfolgt ist, brauchen alle großen Deals die kartellrechtliche Genehmigung der EU-Kommission. Das ist ein intensiver Prozess, dessen Ausgang die Krise noch schlechter vorhersehbar gemacht hat. Die wichtigste Überlegung der Wettbewerbshüter ist die, wie der Wettbewerb durch einen Zusammenschluss verändert wird. Aktuell ist dies aber kaum festzustellen: Die meisten Sektoren arbeiten kaum und niemand weiß, wie es aussehen wird, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Die Prognosen, die die Kartellentscheidungen begleiten, waren immer eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft. Jetzt kommt viel Schätzen hinzu.

Die Pandemie hat die Übernahmetätigkeit zwar praktisch zum Erliegen gebracht, aber Schnäppchen könnten risikobereite Käufer doch dazu verleiten zuzugreifen. Sie sollten sich vorsehen: In Europa im aktuellen politischen Klima einen Deal abzuschließen könnte sich als Sisyphusarbeit erweisen.

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