Euro Intern

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EZB bestätigt Zinsen und fordert Staaten zum Handeln auf

Erscheinungsdatum Website: 13.03.2020 18:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 16.03.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) will den Unternehmen und Banken des Euroraums vor allem mit einer noch großzügigeren Bereitstellung von Krediten über die Folgen der Coronavirus-Epidemie hinweghelfen. Der EZB-Rat beschloss, entgegen den Markterwartungen seine Leitzinsen unverändert zu lassen, sowie seine Nettoanleihekäufe bis Jahresende auszuweiten und der Wirtschaft mit zwei gezielten Kreditprogrammen zu helfen.

In ihrer Pressekonferenz forderte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Regierungen des Euroraums zu einer raschen und koordinierten Aktion auf und vermied Hinweise darauf, dass die EZB wie schon während der Finanzkrise und der Staatsschuldenkrise den Hauptteil der Last schultern werde. An den Finanzmärkten löste das schwere Verluste aus. Volkswirte äußerten sich zurückhaltend.

Lagarde: Wirtschaftlicher Schock bei angemessener Reaktion vorübergehend

"Der Schock ist schlimm, aber vorübergehender Natur, wenn alle Akteure die richtige Politik machen", sagte Lagarde. Die Wirtschaft werde sich erholen, nur der genaue Zeitpunkt sei unsicher. "Zuerst muss jetzt die Fiskalpolitik reagieren", forderte sie. Sie hoffe, dass das Treffen der Eurogruppe am Montag entschlossene finanzielle Entscheidungen bringen werde.

Die EZB beließ den Satz für Überschusseinlagen von Banken bei der EZB, der wegen der hohen Überschussliquidität im Bankensystem der eigentliche Leitzins ist, bei 0,50 Prozent. An den Finanzmärkten war nach den außerplamäßigen Leitzinssenkungen von US-Notenbank und Bank of England eine Senkung dieses Satzes um 10 Basispunkte erwartet worden.

Diese Erwartung erfüllte die EZB nicht - auf einstimmigen Beschluss, wie Lagarde betonte -, was deutliche Verluste an den Finanzmärkten auslöste. Lagarde verteidigte den Beschluss mit der Bemerkung, der EZB-Rat habe die Maßnahmen ergriffen, die er für die effektivsten halte. Die EZB ließ außerdem ihren Hauptrefinanzierungssatz und den Spitzenrefinanzierungssatz - wie erwartet - bei 0,00 und 0,25 Prozent.

Ifo und DIW loben EZB-Maßnahmen

Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, lobte diese Entscheidung, den Einlagenzins nicht zu senken. "Zu begrüßen ist, dass auf weitere Zinssenkungen verzichtet wurde - deren Wirkung wäre angesichts der bereits heute negativen Einlagenzinsen der EZB ohnehin gering", schrieb er in einem Kommentar.

"Die Entscheidung der EZB ist ein starkes Signal an die Politik, dass diese nun endlich ebenfalls entschiedener und mutiger agieren muss", kommentierte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher.

Der Dax baute seinen Verlust von 6 Prozent vor der Entscheidung auf mehr als 10 Prozent aus. Bundesanleihen notierten kaum verändert, die Rendite zweijähriger italienischer Staatsanleihen stieg aber spiegelbildlich zu ihrem Preis um 37 Basispunkte und die zehnjähriger Papiere sogar um 41 Basispunkte. Verluste verbuchte aber auch Gold, weil Anleger verkauften, um Verluste anderswo zu decken. Der Euro sank auf 1,112 (zuvor: 1,126) US-Dollar

EZB-Präsidentin sieht Umkehrzins noch nicht erreicht

Lagarde zufolge ist die EZB durchaus bereit, den Einlagensatz falls erforderlich weiter zu senken. "Wir haben den Umkehrzins noch nicht erreicht", sagte Lagarde unter Verweis auf ein hypothetisches Niveau, ab dem die Zinsen die Kreditvergabe dämpfen und nicht mehr antreiben.

Die EZB beschloss zwar, die Nettoankäufe im Rahmen ihres APP-Programms unverändert bei monatlich 20 Milliarden Euro zu lassen. Gleichzeitig will sie aber bis zum Jahresende Papiere für insgesamt 120 Milliarden Euro zusätzlich kaufen, und zwar vor allem private Papiere. Das sei das effektivste Instrument gegen "Marktempfindlichkeiten", sagte Lagarde.

Manche Analysten hatten im Vorfeld der Ratssitzung gehofft, dass die EZB Hinweise auf eine Anhebung der Ankaufobergrenzen für Staatsanleihen geben würde. Sie wurden enttäuscht. Zwar sagte Lagarde, dass die EZB die im Rahmen des APP mögliche Flexibilität ausnutzen werde, aber auf eine konkrete Nachfrage verwies sie darauf, dass sich die zusätzlichen Anleihekäufe auf private Papiere konzentrieren würden. Außerdem würden einige Länder mehr Staatsanleihen emittieren. Ein höheres Volumen ausstehender Anleihen würde auch mehr Ankäufe durch das Eurosystem erlauben.

Lagarde: EZB nicht hier, um Spreads zu schließe

Gegen Ende der Pressekonferenz machte Lagarde noch einmal deutlich, dass sie die EZB nicht in der Rolle des Retters aus jeder Not sieht. Auf die Frage, ob der Rat eine Aktivierung von Outright Monetary Transactions (OMT) erwogen habe, sagte Lagarde: "Wir sind nicht hier, um Renditeabstände (Spreads) zu schließen."

Frederik Ducrozet, EZB-Experte des Bankhauses Pictet, kritisierte diese Äußerung. "Das ist das Gegenteil von Draghis 'what ever it takes'", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter.

Die EZB ist laut einem Beschluss des EZB-Rats von 2012 grundsätzlich zu OMT-Programmen bereit. Sie sollen eingesetzt werden, wenn die Staatsanleihezinsen eines Landes aus Sicht der EZB zu hoch sind. Einer Nachfrage, wie Lagarde zu dieser OMT-Zusage stehe, wich die EZB-Präsidentin aus. In den vergangenen Tagen waren vor allem die Abstände italienischer Staatsanleiherendite von denen anderer Staaten deutlich gestiegen.

DJG/hab/smh/16.03.2020

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