Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

Wirtschaftsweise erwarten nur schwaches Wachstum

Erscheinungsdatum Website: 06.11.2019 17:10:03
Erscheinungsdatum Publikation: 07.11.2019

zurück zur Übersicht

BERLIN (Dow Jones)--Die fünf Wirtschaftsweisen haben ihre Wachstumsprognosen für dieses und nächstes Jahr gesenkt. Für das laufende Jahr erwarten sie nun eine Zunahme des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent und für das kommende Jahr um 0,9 Prozent.

"Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich im Abschwung", betonte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) in seinem Jahresgutachten, das sein Vorsitzender Christoph Schmidt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt übergab. "Bislang ist jedoch nicht von einer breiten und tiefergehenden Rezession auszugehen." Es sei aber zu erwarten, dass sich die schwache wirtschaftliche Dynamik "mindestens bis in das kommende Jahr hinzieht". Das Wachstum werde 2020 mit kalenderbereinigt 0,5 Prozent schwach bleiben.

In ihrem Gutachten mit dem Titel "Den Strukturwandel meistern" erklärten die Wirtschaftsweisen, ein wichtiger Grund für die erwartete schwache Entwicklung sei eine länderübergreifende Schwäche der Industrie, die zum Teil auf einen zyklischen Abschwung zurückzuführen sein dürfte. Für die weitere Entwicklung sei entscheidend, inwiefern der bislang noch solide Arbeitsmarkt und die Binnennachfrage von dieser Entwicklung erfasst würden.

Merkel versicherte nach der Übergabe der Expertise, die Regierung nehme diese "mit Interesse" zur Kenntnis. "Wir werden jetzt auch aus Ihrem Gutachten wieder die Impulse nehmen und schauen, was wir dann in der verbleibenden Regierungszeit noch auf den Weg bringen", kündigte sie an. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) forderte, man müsse den Strukturwandel anders hinbekommen als früher.

Fünf Weise sehen erhebliche Risiken

SVR-Chef Schmidt betonte, dass man "an der Schwelle zu einem neuen Jahrzehnt" stehe. "Der Aufschwung, der uns durch das vergangene Jahrzehnt getragen hat, ist zu einem Ende gekommen, zumindest vorläufig." Die Regierung sei "gut beraten, stärker denn je das Wachstumspotenzial der deutschen Volkswirtschaft in den Blick zu nehmen". Die Ökonomen sahen "erhebliche Risiken" für die weitere Entwicklung. "Insbesondere eine Eskalation der Handelskonflikte würde die exportorientierte deutsche Wirtschaft empfindlich treffen", warnten sie.

Kritik übten die Wirtschaftsweisen an der Europäischen Zentralbank (EZB). "Es wäre besser gewesen, zumindest auf neue Staatsanleihekäufe zu verzichten, da diese Politik erhebliche Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen kann", monierten sie. So bestehe etwa aufgrund dynamisch gestiegener Vermögenspreise das Risiko abrupter Preiskorrekturen, sagte Schmidt.

Die Wirtschaftsweisen sprachen sich gegen ein Konjunkturprogramm aus, das sie als "derzeit nicht angezeigt" bezeichneten - sie machten sich aber dafür stark, unter möglicher Abkehr von der schwarzen Null auch neue Schulden hinzunehmen. Es solle zunächst darum gehen, "die vorhandenen automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen", hoben sie hervor. "Die Schuldenbremse schließt durch die Konjunkturbereinigung eine Neuverschuldung zu diesem Zweck nicht aus." Derzeit müsse die schwarze Null aber nicht aufgegeben werden, sagte Schmidt.

Merkel räumte dazu bei ihrem Statement "Spielräume" ein, betonte aber auch die Bedeutung eines ausgeglichenen Budgets. "Wir haben natürlich mit Interesse Ihre Ausführungen über die Schuldenbremse verfolgt, die uns sicherlich Spielräume gibt", betonte sie. "Aber Sie sagen auch ganz klar, so verstehe ich es jedenfalls, ein ausgeglichener Haushalt und viele Investitionen sind wichtig."

Höchste Zeit für ein Wachstumsprogramm

Die Wirtschaft forderte die Regierung zum Handeln auf. "Die Weisen senden einen Weckruf an die Politik, das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft zu stärken", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. Es sei höchste Zeit, damit zu beginnen, ein Wachstumsprogramm zur Stärkung der privaten und öffentlichen Investitionen auszuarbeiten.

Nach der ernüchternden Diagnose der Wirtschaftsweisen "sollte nun dringend auch mit der Therapie begonnen werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. Nötig sei eine Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Industriepolitik, die "schneller und entschiedener" stattfinden müsse - angefangen bei einer Reform des Steuersystems.

Der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann, erklärte, die Investitionskraft der mittelständischen Unternehmen leide unter der progressiv steigenden Abgabelast. Hier müsse die Politik "endlich ansetzen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten". Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte sich für bessere Rahmenbedingungen stark. "Steuern senken, Sozialabgaben bei 40 Prozent begrenzen und weniger Bürokratie", forderte er.

DJG/ank/apo

zurück zur Übersicht