Euro Intern

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Bankenverbände fordern Kurswechsel der EZB

Erscheinungsdatum Website: 25.10.2019 18:35:05
Erscheinungsdatum Publikation: 28.10.2019

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BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Kreditwirtschaft hat nach der letzten EZB-Ratssitzung unter Leitung des scheidenden Notenbankpräsidenten Mario Draghi eine Umkehr in der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangt. "Während die Banken im Euroraum für ihre Einlagen Zinsen an die EZB zahlen müssen, erhalten US-amerikanische Mitbewerber dafür Geld von der Fed", sagte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Hans-Walter Peters. "Das kann so nicht bleiben: Negative Zinsen auf Dauer festzuschreiben, bringt unser Finanzsystem in ganz schweres Fahrwasser."

Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Iris Bethge-Krauß, forderte einen "Kurswechsel". Sie hoffe, dass die EZB nun mit dem Führungswechsel ihre bisherige Politik und deren Langzeit-Folgen auf den Prüfstand stelle. "Mit Christine Lagarde nimmt eine Frau die Zügel in die Hand, die sich mit dem Management von Krisen auskennt, die mit Weitblick agiert und angekündigt hat, mehr auf die Bedenken und Sorgen der Bürger einzugehen", erklärte sie. "Ich hoffe, dass sie als EZB-Präsidentin den Mut besitzt, die notwendige Zinswende einzuleiten."

Sowohl Peters als auch Bethge-Krauß würdigten aber auch Draghis Rolle in der Finanzkrise. "Die Leistungen von Mario Draghi als EZB-Präsident insbesondere in der ersten Hälfte seiner Amtszeit sind unbestritten", sagte Peters. Bethge-Krauß erklärte, Draghi habe vor allem zu Beginn seiner Amtszeit Mut bewiesen und durch unkonventionelle Maßnahmen "maßgeblich zur Stabilität Europas und zum Erhalt des Euro beigetragen".

Auch der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley, erklärte, Draghi habe mit seiner "Whatever it takes"-Rede zwar einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise geleistet, doch es gebe Grund zur Kritik. Der scheidende EZB-Präsident werde als "Minuszins-Draghi" in die Geschichtsbücher eingehen, der die Welt des Geldes auf den Kopf gestellt habe. "Draghi hat den Euroraum ohne Not noch tiefer in die unbekannten Gewässer der Negativzinsen geführt als die Notenbanken anderer großer Währungsräume", erklärte Bley.

Dagegen betonte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, einige der Kritikpunkte an Draghi, besonders aus Deutschland, seien "fehlgeleitet und despektierlich" gewesen. "Die EZB, der Euro und Mario Draghi wurden in den vergangenen Jahren zu häufig als Sündenbock für nationale politische Fehler missbraucht. Es ist höchste Zeit, dass wir in Deutschland Mario Draghi für seine Leistungen großen Respekt zollen." Draghi werde als großer Europäer in die Geschichte eingehen, der einen entscheidenden Beitrag für Wohlstand und Einheit geleistet habe.

DJG/ank/jhe/28.10.2019

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