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China: Kohle bleibt König

Erscheinungsdatum Website: 23.10.2019 10:20:02
Erscheinungsdatum Publikation: 24.10.2019

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Elektromobilität setzt weiterhin auf die schmutzigste aller Quellen

BEIJING (Dow Jones)--Der Vorstandsvorsitzende von Exxon Mobil, Darren Woods, hat kürzlich eine bissige Bemerkung gegen die Elektromobilität losgelassen. Bei der Öl- und Gas-Klimaschutzinitiative Ende letzten Monats sagte er, das Thema werde ad absurdum geführt, wenn Elektrofahrzeuge mit Strom aus Kohlekraftwerken aufgeladen würden. Der Dokumentarfilm "Who Killed The Electric Car" aus dem Jahr 2006 karikierte Manager der großen Ölunternehmen als Feinde einer grünen Zukunft. Damals steckten Elektrofahrzeuge noch in den Kinderschuhen. Heute bedrohen E-Autos tatsächlich die Nachfrage nach Exxons Hauptrohstoff.

Die Kritik von Woods enthält dennoch ein Körnchen Wahrheit. China, der weltgrößte Rohölimporteur, ist auch bei Elektrofahrzeugen weltweit führend. Der größte Teil der Energie dafür wird jedoch aus Kohle und damit aus der schmutzigsten aller Quellen gewonnen. Berücksichtigt man außerdem noch, dass die Herstellung von Batterien sehr energieintensiv ist, sind Elektrofahrzeuge nicht wirklich umweltfreundlich - zumindest in China.

Laut der US Energy Information Administration (EIA) setzt sogenannte Fettkohle bei der Verbrennung 75% mehr Kohlendioxid pro Million British Thermal Units frei als Erdgas. Selbst wenn Industrieländer Kohlekraftwerke als Reaktion auf Umweltauflagen oder wegen günstigerer Gaspreise abschalten, bleibt die Kohle in China und anderswo in Asien immer noch König. Obwohl China den Anteil erneuerbarer Energie hochfährt, wird Kohle nach Untersuchungen von Fitch Solutions im Jahr 2028 immer noch fast 50% des in China erzeugten Stroms produzieren. In den USA werden es 15% sein.

Der Siegeszug der Elektromobilität verlangt nach einer Steigerung der Stromerzeugung. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht in ihrem Maximalszenario davon aus, dass Elektrofahrzeuge bis 2030 zusätzliche 1.100 TWh verbrauchen werden. Das sind etwa 5% der aktuellen Weltstromproduktion. In China, wo einige Städte weltweit am stärksten unter Luftverschmutzung leiden, wird der Wandel hin zu Elektroautos und Elektrobussen zwar die Luft hinter dem Fahrzeug sauberer machen. Jedoch bleibt der schädliche Beitrag zum Klimawandel immer noch hoch.

Verbrennungsmotoren sind ineffizient und verwandeln nur einen Bruchteil des Kraftstoffs in Fortbewegung. Die IEA geht in ihrer Studie für das Jahr 2030 davon aus, dass Elektrofahrzeuge gegenüber einer vergleichbaren Flotte von Autos mit Verbrennungsmotor die Emission von Treibhausgasen um die Hälfte senken können. Die Herstellung von Batterien erfordert jedoch auch viel Energie, was die endgültigen Auswirkungen nochmals relativiert. Geht man zum Beispiel vom deutschen Energiemix und der Menge an Energie aus, die bei der Batterieproduktion verbraucht wird, sind die CO2-Emissionen von batteriebetriebenen Fahrzeugen im besten Fall "etwas höher als die eines Dieselmotors", so das ifo Institut in München.

Nach Berechnungen des Belfer-Zentrums für Wissenschaft und Internationale Angelegenheiten dürfte der Einsatz von Elektrofahrzeugen in China die Treibhausgas-Emissionen insgesamt senken, auch wenn man die Batterieproduktion in die Bilanz einbezieht. Gleichzeitig könne die Belastung in bestimmten Regionen des Landes mit schmutzigeren Energiequellen steigen. Außerdem seien die Emissionen anderer schädlicher Stoffe wie Schwefeldioxid und Stickoxide beim Verbrennen von Kohle hoch.

Die Skepsis von Exxon Mobil gegenüber Elektrofahrzeugen mag eigennützig sein, aber Chinas Akzeptanz der Batterietechnologie könnte auch weniger mit der Umwelt als mit anderen Gründen zu tun haben. China fördert weniger als 5% des für Verbrennungsmotoren benötigten Erdöls, aber rund 45% der Kohle weltweit, die für die Stromerzeugung zum Antrieb von Elektrofahrzeugen verwendet wird.

Die USA sind weltweit der größte Erzeuger von Kraftstoffen aus dem Anbau von Biomasse. Dabei ist die Herstellung von Agroethanol teuer und wird wegen der umweltschädlichen Auswirkung vielfach kritisiert. Ganz ähnlich wird auch China weiterhin viel Geld in die Hand nehmen und Umweltschäden in Kauf nehmen, um eine schmutzige Industrie am Leben zu halten, die zumindest unabhängiger macht von Energie aus dem Ausland.

Darüber hinaus will Beijing die Automobilindustrie der Zukunft beherrschen. Chinas Öffnung für den Westen kam zu spät, als dass das Land ein wichtiger Exporteur von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor hätte werden können. Deshalb versucht China nun mit aller Macht, die Batterieproduktion zu dominieren, einschließlich der Sicherung von Quellen für Schlüsselmetalle. Durch verschwenderische Subventionen hat es bereits den mit Abstand größten Markt der Welt für Elektroautos aus dem Boden gestampft.

Big Oil könnte sich noch mit der Elektrorevolution anfreunden, zumal auch die Erdgasproduktion davon profitieren wird. Exxon Mobil produzierte im zweiten Quartal täglich 1,5 Mio Barrel erdöläquivalentes Gas. Das war mehr als ein Drittel seiner Gesamtproduktion. In diesem Sommer gab Shell das Ziel bekannt, bis 2030 das weltweit größte Elektrizitätsunternehmen zu werden. Und Erdgas könnte ein wesentlicher Bestandteil dieser Gleichung sein.

Die großen Ölkonzerne mögen vielleicht die Elektromobilität verdammen, aber sie haben Recht, dass das Thema komplizierter ist, als es scheint. Während Anhänger von Elektrofahrzeugen grün denken, könnten diejenigen mit der größten Macht zur Veränderung ganz andere Motive verfolgen.

Lauren Silva Laughlin

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