Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB-Ratsmitglieder kritisieren aktuelle Beschlüsse

Erscheinungsdatum Website: 13.09.2019 17:55:03
Erscheinungsdatum Publikation: 16.09.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Mitglieder des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Beschlüsse zur geldpolitischen Lockerung deutlich kritisiert. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte, der Rat sei mit seinem Paket von Maßnahmen über das Ziel hinausgeschossen. Der Niederländer Klaas Knot kritisierte, der Neustart der Anleihekäufe passe nicht zum aktuellen Konjunkturumfeld, und das österreichische Ratsmitglied Robert Holzmann sagte, die Entscheidungen könnten ein geldpolitischer Fehler gewesen sein.

Weidmann sagte, der EZB-Rat habe "ein sehr umfangreiches Paket beschlossen" - vor allem, weil sich in Deutschland die Konjunktur abgekühlt habe. Er fügte hinzu: "Aus meiner Sicht ist er damit aber über das Ziel hinausgeschossen." Schließlich sei "die wirtschaftliche Lage nicht wirklich schlecht." Ein so weitreichendes Paket wäre nicht nötig gewesen. Durch die neuen Anleihekäufe würden die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik "absehbar in Frage gestellt".

Mit dieser Position sei er innerhalb des EZB-Rates "nicht allein". Weidmann weiter: "Mit dem Beschluss, noch mehr Staatsanleihen zu kaufen, wird es für die EZB immer schwerer, aus dieser Politik auszusteigen. Die Nebenwirkungen und Finanzstabilitätsrisiken der sehr expansiven Geldpolitik nehmen zu, je länger sie dauert."

Klaas Knot schrieb in einer Erklärung, das Maßnahmenpaket, insbesondere der Neustart der Anleihekäufe, passten nicht zur aktuellen Konjunktur, und es gebe gute Gründe, dessen Wirksamkeit zu bezweifeln. Knot verwies darauf, dass es keine Deflationsgefahr gebe und dass die Löhne bei voller Auslastung der Kapazitäten stiegen. Zugleich führe die anhaltend lockere Geldpolitik zu Verzerrungen an den Finanzmärkten.

Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, sagte Bloomberg TV laut Reuters-Bericht, dass es im EZB-Rat einige Opposition gegen das Maßnahmepaket gegeben habe. Es habe die Frage gegeben, wie wirksam eine weitere geldpolitische Lockerung noch sei. "Ich denke, das war ein Hauptgrund, warum es Widerstand gegeben hat." Auf die Frage, ob andere und auch er dachten, dass die Entscheidung geldpolitisch vielleicht ein Fehler gewesen sei, sagte er: "Ich bin mir sicher, dass diese Idee einigen Leuten durch den Kopf ging. Mir ging sie definitiv durch den Kopf."

Der EZB-Rat hatte am Donnerstag beschlossen, seinen Bankeinlagensatz um 10 Basispunkte auf minus 0,50 Prozent zu senken und die Überschusseinlagen der Banken teilweise von diesem Strafzins freizustellen. Darüber hinaus beschloss der Rat, seine Anleihebestände ab November monatlich um 20 Milliarden Euro zu erhöhen - ohne eine zeitliche Befristung.

Der Basiszinssatz der dritten Serie langfristiger und gezielter Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO3) soll nun dem durchschnittlich während der Tenderlaufzeit herrschenden Hauptrefinanzierungssatz entsprechen.

DJG/hab/smh

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