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EU-Kommission fordert Reform von Strafverfahren zur Rechtsstaatlichkeit

Erscheinungsdatum Website: 18.07.2019 14:00:05
Erscheinungsdatum Publikation: 19.07.2019

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BRÜSSEL (AFP)--Die EU-Kommission hat Polen in einem weiteren Fall der Einflussnahme auf die Justiz eine letzte Frist gesetzt, um eine Klage vor den Europäischen Gerichtshof abzuwenden. Die Regierung in Warschau habe noch zwei Monate Zeit, die von Brüssel kritisierten Bestimmung zum disziplinarischen Vorgehen gegen Richter zurückzunehmen, erklärte die Kommission in Brüssel. Ansonsten werde die EU-Behörde über die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs entscheiden.

Die Kommission geht seit Anfang 2016 gegen mehrere Justizreformen der nationalkonservativen Regierung in Warschau vor. Im konkreten Fall geht es um mögliche Disziplinarverfahren gegen Richter, die von dem in den EU-Verträgen verankerten Recht Gebrauch machen, bei laufenden Verfahren die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

Brüssel wirft Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Die Kommission leitete deshalb bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren ein. Im Dezember 2017 startete Brüssel dann ein bis dahin beispielloses Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann.

Bei Zweifeln zur europäische Rechtslage haben nationale Gerichte in den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Vorabentscheidungen des EuGH zu beantragen. Dies kann von nationalen Richtern auch dazu genutzt werden, die Übereinstimmung nationaler Gesetze oder Verwaltungsakte mit EU-Recht überprüfen zu lassen.

Die EU-Kommission hat zudem eine Überarbeitung des Strafverfahrens bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gefordert. Vor dem Hintergrund der langwierigen Verfahren zu Polen und Ungarn forderte sie die Mitgliedstaaten auf, die Beratungen über das Vorgehen im EU-Rat besser zu organisieren. Nötig seien "klare Verfahrensregeln", welche "den Entscheidungsprozess verbessern". Darüber hinaus kündigte sie an, einen jährlichen Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten vorzulegen.

Das Verfahren sieht dann drei Stufen vor. In einem ersten Schritt wäre eine Warnung möglich, dann die Feststellung einer "schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung" europäischer Grundwerte und schließlich die Verhängung von Sanktionen. Keines der Verfahren hat bisher Stufe eins erreicht.

Die Mitgliedstaaten vertagten Entscheidungen immer wieder und forderten die EU-Kommission auf, weiter den Dialog mit den betroffenen Regierungen zu suchen. Im Falle Polens entschied der Europäische Gerichtshof inzwischen über mehrere von der Kommission parallel angestrengte Vertragsverletzungsverfahren und gab Brüssel recht. Polen machte daraufhin einen Teil der umstrittenen Reformen rückgängig.

Neben klareren Verfahrensregeln forderte die Kommission nun auch klare Bestimmungen, um wieder aus den Artikel-7-Verfahren auszusteigen oder die Lage schnell zu deeskalieren. Dies solle erfolgen, sobald der Mitgliedstaat "die verlangten Schritte unternommen hat, um den Respekt der Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen".

Der Vorschlag der scheidenden EU-Kommission, daneben einen jährlichen Bericht über die Lage der Rechtsstaatlichkeit für alle Mitgliedstaaten zu erstellen, findet sich auch in den "politischen Leitlinien" der gewählten künftigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wieder. Sie war bei ihren Anhörungen im EU-Parlament teils heftig kritisiert worden, weil ihre Vorschläge zur Rechtsstaatlichkeit vage blieben.

In den Leitlinien hieß es nun, sie wolle sich "auf eine strengere Durchsetzung konzentrieren" und auf jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs aufbauen. Die CDU-Politikerin spricht sich auch dafür aus, im nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen die Auszahlung von Geldern stärker an die Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen.

ost/19.7.2019

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