Märkte der Welt

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"Es ist ein Tod auf Raten"

Erscheinungsdatum Website: 16.07.2019 16:06:03
Erscheinungsdatum Publikation: 18.07.2019

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Banken räumen das Feld für US-Institute / Von Julie Steinberg und Ben Dummett

LONDON (Dow Jones)--Der Abstieg der Deutschen Bank und anderer großer Geldhäuser von einst hinterlässt eine Lücke im europäischen Bankensektor. US-Banken stoßen vor und nehmen die Region in die Zange. Die Ankündigung der Deutschen Bank, 18.000 Stellen abzubauen und ihr Aktiengeschäft weltweit aufzugeben, ist der jüngste Beleg für die Probleme europäischer Institute. Deren Schwäche ist gleichzeitig die Stärke der Konkurrenz aus den USA.

Gut die Hälfte dieses Jahres ist um, und in dieser Zeit haben amerikanische Banken wie Morgan Stanley und Goldman Sachs die höchsten Einnahmen mit der Beratung sowie der Ausführung von Aktiengeschäften und Anleiheemissionen in Europa erzielt. Ihre Dominanz ist so groß, dass nach Angaben des Datenanbieters Dealogic die Liste der umsatzstärksten Banken in Europa von fünf US-Instituten angeführt wird. Nur eine europäische Bank konnte zwischen 2014 und 2018 mithalten.

"Für europäische Banken ist das ein sehr deprimierendes Bild. Es ist ein Tod auf Raten", sagt Martin Armstrong, Vorsitzender der Strategie- und Personalberatung Armstrong International.

Die Gründe reichen tief. Einige Institute, so zum Beispiel die Deutsche Bank, räumten nach der Finanzkrise nicht entschlossen genug auf mit ihren aufgeblähten und riskanten Geschäften. Schwaches Wachstum und Negativzinsen haben die Rentabilität ihres Kerngeschäfts untergraben und die großen Banken insgesamt hinter ihre amerikanische Konkurrenz zurückfallen lassen.

"Die haben einen Wettbewerbsnachteil", meint ein leitender Mitarbeiter eines amerikanischen Geldhauses in Europa. Die Reform des Bankensystems sei wegen der politischen Lähmung in Brüssel nicht zu Ende geführt worden. Es fehle an einer Einlagensicherung für die gesamte Eurozone, und Banken könnten Kapital nicht so einfach von einem Land in ein anderes transferieren.

Auch der Brexit wirft seinen Schatten. Banken haben große Summen in die Verlagerung ihrer Aktivitäten aus London investiert. Unter den alternativen Finanzplätzen in der EU gibt es jedoch keinen klaren Gewinner.

Neben der Deutschen Bank fahren auch Institute wie Societe Generale und die ING Groep ihr Investmentbanking zurück. HSBC entlässt mehrere hundert Mitarbeiter des Bereichs Investment- und Transaction Banking. UBS und Credit Suisse nehmen ebenfalls Einschnitte beim Investmentbanking vor und stärken stattdessen ihr Vermögensverwaltungsgeschäft, wo Gebühren für konstante Einnahmen sorgen.

US-Banken haben hingegen einen gesunden Heimatmarkt als Rückhalt. Dieser unterstützt ihre internationalen Ambitionen. Sie genießen positive Zinsen und ein solides Wirtschaftswachstum. Im Gegensatz zu Europa wurden US-Institute kurz nach der Finanzkrise größtenteils von toxischen Vermögenswerten befreit. Die Gebühren für Börsengänge in den USA betragen bis zu 7%, während in Europa nur 2,5 bis 3,5% zu verdienen sind. Diese Einnahmen machen es US-Banken leicht, weltweit in ihre Geschäftstätigkeit zu investieren.

Als der dänische Logistikkonzern DSV A/S Anfang des Jahres den Schweizer Rivalen Panalpina übernehmen wollte, hat er JP Morgan Chase beauftragt, bei dem 4,8-Mrd-Dollar-Deal zu beraten. Ein Vorteil, den US-Banken bei solchen Geschäften haben, ist laut DSV-Finanzvorstand Jens Lund ihre Größe. Sie können Kunden mit Informationen aus verschiedenen Märkten dienen, während europäische Banken eher regional aufgestellt seien.

Im Falle von Panalpina, so Lund, habe JP Morgan entscheidende Informationen über die Zustimmungsbereitschaft der Hauptaktionäre von Panalpina für einen möglichen Deal geliefert. Dies habe dazu beigetragen, dass DSV das Angebot entsprechend ausrichten und das Geschäft nach mehrjährigem Anlauf schließlich unter Dach und Fach bringen konnte.

Internationale Größe macht auch die Bank of America und Goldman Sachs wertvoll für den deutschen Handelskonzern Metro, die sich mit einem unaufgeforderten Übernahme-Angebot der EP Global Commerce konfrontiert sieht. Die beiden Großbanken nutzen ihre globalen Netzwerke, um die Einstellung der Metro-Aktionäre in Russland, Asien und anderswo gegenüber dem Angebot in Erfahrung zu bringen. Das berichtete eine mit der Angelegenheit vertraute Person.

Bei den zehn größten, bis Anfang Juli bekannt gewordenen Deals, an denen europäische Unternehmen beteiligt sind, stehen oder standen laut Dealogic insgesamt 17 US-Banken beratend zur Seite. Die europäischen Institute brachten es zusammen auf lediglich neun Mandate. Nicht eingerechnet ist die gescheiterte Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank. Dabei nutzte die Deutsche Bank die Citigroup als ihren einzigen Berater.

Die europäischen Banken leiden immer noch unter den Folgen der Finanzkrise und Versäumnissen bei der Bereinigung ihrer Bilanzen. Nach den neuen Regeln, die in den nächsten Jahren in Kraft treten werden, sind die europäischen Institute gezwungen, sich mit Problemen zu befassen, die US-Banken längst abgehakt haben, so zum Beispiel mit ihrer internen Struktur und der Reduzierung ihrer Bilanzgröße.

Der Rückzug europäischer Banken hat US-Instituten ein sattes Plus bei den Investmentbanking-Gebühren beschert. Der Anteil der Europäer am gesamten Gebührenaufkommen ging laut Dealogic von 64% 2010 auf zuletzt 55% zurück. US-Banken, die 2010 noch 28% der Gebühren vereinnahmten, schneiden sich heute 39% vom Kuchen ab. US-Geldhäuser haben es fertiggebracht, ihr Geschäft aus- und gleichzeitig Personal in Europa abzubauen.

Zwischen 2014 und 2018 haben die umsatzstärksten US-Investmentbanken laut Researchunternehmen Coalition ihre Belegschaft in den Bereichen Investmentbanking, Aktien- und Anleihehandel in Europa, dem Nahen Osten und Afrika um 5,2% reduziert. Die größten europäischen Investmentbanken bauten im selben Zeitraum doppelt so viele Beschäftigte in den gleichen Bereichen ab.

Zwischen dem ersten Quartal 2018 und dem ersten Vierteljahr 2019 haben europäische Banken 2% ihres Personals in den genannten Bereichen abgebaut, während US-Banken die Zahl ihrer Mitarbeiter nur um 0,5% verringerten. In einigen Fällen stellen US-Banken sogar wieder ein. Laut einer internen Quelle ist die Bank of America dabei, weltweit 50 hochrangige Investmentbanker anzuheuern, von denen einige in Europa arbeiten werden.

Rückläufige Geschäfte haben die Aussichten von Unternehmen eingetrübt. Viele zögern derzeit bei Investitionen. Das Wachstum in der EU, Handelskonflikte und der Brexit fordern ihren Tribut. Europäische Banken seien dennoch stark in Bereichen wie Handelsfinanzierung, Cash Management und anderen Unternehmensdienstleistungen, sagt James Davis, Partner des Beratungsunternehmens Oliver Wyman.

Obwohl die Forderungen nach einer Konsolidierung der Bankenbranche in den letzten Monaten lauter wurden, ist nicht klar, wer von wem übernommen werden könnte. Die Versuche der Deutschen Bank, mit der konkurrierenden Commerzbank zusammenzugehen, wurden abgebrochen, nachdem sich beide Seiten in einer Vielzahl von kulturellen und regulatorischen Fragen nicht einigen konnten.

"Es steht außer Frage, dass Europa Banken braucht, die vorne mitspielen", sagte Davis. "Die Frage ist jedoch, wie viele und welche."

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