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Kritische Reaktionen auf Grundsteuer-Streit der Koalition

Erscheinungsdatum Website: 03.05.2019 18:50:03
Erscheinungsdatum Publikation: 06.05.2019

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BERLIN (Dow Jones)--Der anhaltende Koalitionsstreit über die Reform der Grundsteuer hat deutliche Kritik der Opposition und Bedenken bei Ökonomen provoziert. Politiker von Grünen, Linken und FDP monierten die zunehmende Verwirrung um die vom Verfassungsgericht angeordnete Reform, nachdem das Finanzministerium zwar die Darstellung zurückwies, der Gesetzentwurf zur Grundsteuer sei gestoppt worden - gleichzeitig aber angesichts einer Blockade Bayerns eine Expertenanhörung zu einer möglichen Öffnungsklausel am Freitag kommender Woche ankündigte.

"Das ewige Hin und Her über das Beratungsverfahren für eine neue Grundsteuer ist ein fatales Signal angesichts des schwindenden zeitlichen Spielraums für eine Reform", bemängelte der Sprecher der Grünen für Kommunalfinanzen, Stefan Schmidt. Es lasse Städte und Gemeinden weiter im Dunkeln über das Schicksal dieser für sie so wichtigen Einnahmequelle. Eine Länderöffnungsklausel, wie sie sich die CSU wünsche, würde "für eine denkbar ungerechte Ausgestaltung" der Grundsteuer sorgen und den Reformprozess "weiter chaotisieren", warnte er. Die Regierung müsse das parlamentarische Beratungsverfahren für eine neue Grundsteuer daher jetzt dringend einleiten.

"Die GroKo bekommt nichts mehr gebacken", meinte Linken-Fraktionsvize Fabio de Masi. "Wenn wegen Markus Söder 14 Milliarden Euro Steuern der Kommunen und eine verfassungsgerechte Erhebung der Grundsteuer geopfert werden, hat Deutschland ein Problem." Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Söder gehe es nicht um die Mieter oder normale Eigenheimbesitzer, sondern um die Villen am Starnberger See. Offensichtlich solle die Grundsteuer auch beerdigt werden, um eine Wiedererhebung der Vermögenssteuer durch eine realistische Immobilienbewertung zu verhindern.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, nannte es "grotesk, wie die große Koalition die Grundsteuerreform vermasselt". Scholz lege ein Bürokratiemonster vor, und gleichzeitig versuche die Union schon jetzt eine Ausnahmeregelung für die Länder zu erreichen, obwohl noch nichts beschlossen sei. "Die Beteiligten erkennen anscheinend den Ernst der Lage nicht", meinte Toncar. Der Vorschlag des Finanzministers würde Wohnen noch deutlich teurer machen.

Scholz-Modell orientiert sich an Wertentwicklung

Der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen, warnte, eine "ökonomisch sinnvolle Reform der Grundsteuer droht im politischen Gezänk unter die Räder zu kommen". Ein Stopp der Reformpläne laufe wahrscheinlich darauf hinaus, dass die Länder individuelle Regelungen treffen könnten. "Damit würde die CSU durch die Hintertür eine Grundsteuer einführen, die rein auf der Größe des Grundstücks basiert." Zugute käme dies vor allem Eigentümern in teuren Lagen. Das sei ungerecht, denn gerade in den zentralen Lagen profitierten Haushalte enorm von öffentlich finanzierter Infrastruktur, die sich in steigenden Immobilienpreisen widerspiegelten.

Die "Bild"-Zeitung hatte berichtet, das Kanzleramt habe den umstrittenen Gesetzentwurf zur Grundsteuer endgültig gestoppt. Das Gesetz werde nicht in die Ressortabstimmung gehen, heiße es. Scholz müsse sich vor einer Kabinettsbefassung erst einmal mit Bayern einigen. Das CSU-regierte Land hat angekündigt, ein eigenes Ländergesetz machen zu wollen, und eine entsprechende Öffnungsklausel in dem Gesetzentwurf von Scholz verlangt. Die Unionsfraktion hat sich dem angeschlossen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich hinter diese Forderungen gestellt.

Die Ressortabstimmung sei seit längerem eingeleitet, sagte aber ein Sprecher von Scholz. Es sei immer klar gewesen, dass sich das Kabinett erst nach einer Anhörung mit Verfassungsrechtlern damit befassen werde, die für den Freitag kommender Woche im Finanzministerium geplant sei. Daran sollen neben Scholz auch mehrere Landesminister teilnehmen.

Das Modell des Finanzministers orientiert sich an der Wertentwicklung der Grundstücke. Die Bemessungsgrundlage soll dafür in einem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt werden. Bei Wohngrundstücken soll sich der Ertragswert an der pauschalierten Nettokaltmiete pro Quadratmeter orientieren. Die Lage der Immobilie soll über den Bodenrichtwert in die Berechnung eingehen. Kritiker befürchten jedoch Mietanstiege in Ballungsräumen. Die von Bayern geforderte Länder-Öffnungsklausel sieht Scholz' Plan bisher nicht vor. Steht bis Jahresende kein Gesetz, würde die Grundsteuer aber entfallen. Den Kommunen entgingen dann jährliche Einnahmen von fast 15 Milliarden Euro.

DJG/ank/jhe/06.05.2019

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