Märkte der Welt

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Vorbereitung auf alle Brexit-Eventualitäten

Erscheinungsdatum Website: 19.12.2018 01:47:47
Erscheinungsdatum Publikation: 20.12.2018

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Institute verschieben weiter Personal in die EU / Die Bank of England bereitet Notfallmaßnahmen vor

LONDON (Dow Jones)--Die politischen Turbulenzen in Großbritannien haben die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es einen ungeordneten Brexit ohne ein Abkommen geben wird. In einem solchen Szenario könnte die Jahrzehnte währende Finanzintegration, die dazu beitrug, London zur unbestrittenen Hauptstadt der europäischen Finanzwelt zu machen, über Nacht am 29. März zunichte gemacht werden. Nervöse Banker sind in den letzten Monaten eifrig zu Meetings mit führenden europäischen Finanzaufsehern geflogen. Der Grund: Sie wollten sicherzustellen, dass der Brexit nicht zu einem finanziellen Armageddon wird.

"Ich kann nicht vorhersagen, dass die Märkte alles so hinnehmen und sehr effektiv arbeiten werden", sagte James Bardrick, Leiter der Citigroup für Großbritannien, letzte Woche vor Journalisten. "Es wird ein großes, großes Problem sein, wenn wir keinen Deal haben."

Verlagerung von Finanzassets ist hochkomplex

Ein großes Problem sind die Kunden. Banken benötigen deren Erlaubnis, um bestimmte Verträge von Großbritannien in die EU zu verlagern und sie von dort aus weiter zu bedienen, oder es müssen neue Verträge unterzeichnet werden. Relevant ist dies vor allem bei privat ausgehandelten Verträgen zwischen Banken und Kunden oder anderen Finanzunternehmen zum Management von Marktrisiken.

Die Aufgabe sei derart groß und komplex, dass es fast unmöglich sei, mit den Kunden individuell Lösungen zu erarbeiten. Einige Kunden seien mit der Anpassung ihres Geschäftsmodells an den Brexit zu sehr beschäftigt und verschöben die Bearbeitung finanzieller Fragen. Andere glaubten einfach nicht, dass es zu einem Brexit komme. Somit drängten die Banken die Regulierungsbehörden in der EU seit Monaten, eine universelle Regel zu finden, selbst wenn sie nur vorübergehend sei, wonach bestehende Verträge weiter gültig bleiben.

Das Problem ist, dass die Europäische Zentralbank in einer No-Deal-Brexit-Bewertung im vergangenen Monat feststellte, sie sehe bei Privatverträgen kein signifikantes Risiko für die Finanzstabilität, solange die beteiligten Parteien "ausreichende Maßnahmen" ergreifen. Einige Vertreter von europäischen Regulierungsbehörden sind der Ansicht, dass die falsche Botschaft ausgesendet würde, wenn sie sich verpflichten würden, auf jeden Fall einzugreifen.

"Ich glaube nicht, dass die Kommission sich bewusst ist, dass nach dem 29. März plötzlich jede Menge Kunden anrufen werden, die erkennen, dass ihre Verträge am nächsten Tag in eine Art schwarzes Loch fallen können", sagte ein Manager einer internationalen Bank in London.

Seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 haben Banken, die London als ihren EU-Standort nutzen, Lizenzen beantragt und Personal in EU-Finanzzentren wie Paris, Frankfurt und Dublin verlagert.

Citigroup, Morgan Stanley, JP Morgan Chase und Goldman Sachs haben Umzüge von Vertriebsmitarbeitern und Händlern auf ein Minimum reduziert. Dies könnte sich im Falle eines ungeordneten Brexit ändern. Die Bank of America zum Beispiel, die 125 Arbeitsplätze in der EU schafft, könnte zusätzliche 200 Stellen nach Paris verlagern - je nach endgültigem Ausgang der Brexit-Verhandlungen. "Wir stecken 300 bis 400 Mio US-Dollar in diese Sache, und wir wissen nicht einmal, wie die Regeln aussehen werden", sagte CEO Brian Moynihan vor Teilnehmern einer Konferenz in Boston im vergangenen Monat.

Zusätzlich zu den Kosten für die Verlagerung europäischer Kundenverträge in die Niederlande hat die Royal Bank of Scotland weitere 100 Mio Pfund zur Deckung potenzieller Forderungsausfälle im Zusammenhang mit dem Brexit zurückgestellt.

Einen ersten Test für die Zusicherung der EU, dass die Märkte reibungslos funktionieren würden, gab es vergangene Woche. Regulierungsbehörden und Politiker vereinbarten, dass EU-Unternehmen im Falle eines No-Deal-Brexit die britischen Clearingstellen noch 12 Monate nach dem Austrittsdatum weiter nutzen dürften. Billionen von Dollar hätten gekündigt werden müssen, wenn EU-Unternehmen und Börsen keinen Zugang zu diesen Clearing-Dienstleistungen mehr hätten.

Keine Klarheit über Regelungen nach dem 29. März

Das ganze Jahr über hatten Banken die europäischen Regulierer mit Forderungen bombardiert, zu handeln. Im vergangenen Monat hieß es dann, EU-Unternehmen würde vorübergehend Zugang gewährt. Aber ohne Details waren Banken und auch britische Regulierungsbehörden nicht überzeugt. Letzte Woche sagte der Chef der britischen Financial Conduct Authority, Andrew Bailey, dass noch "harte Beweise" für den EU-Plan benötigt würden.

Ungelöste Probleme im Zusammenhang mit Verträgen oder Clearing könnten das Chaos auf den Finanzmärkten verschärfen. Die Erinnerungen an den globalen Markttumult, der 2016 durch die überraschende Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, ausgelöst worden war, sind noch frisch.

Um sich auf eine hohe Marktvolatilität und geringere Liquidität vorzubereiten, ist die Bank of England bereit, "Notfall-Währungsswap-Linien" mit Gegenzentralbanken wie der Federal Reserve und der EZB zu aktivieren. Sie könnte auch die Eigenkapitalanforderungen an Banken senken, um Mittel freizusetzen, damit die Kreditvergabe an die Wirtschaft nicht zurückgeht.

Patricia Kowsmann, Margot Patrick

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