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Südkorea: Die Schlacht um das Fahrzeug-Cockpit

Erscheinungsdatum Website: 21.11.2018 10:00:02
Erscheinungsdatum Publikation: 22.11.2018

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SEOUL (Dow Jones)--Wenn Autos ähnlich dem Smartphone zum digitalen Endgerät werden, wird Samsung der Konkurrenz einen Schritt voraus sein. Der weltgrößte Smartphone-Hersteller war lange ein Niemand in der Autoindustrie. Das änderte sich vor zwei Jahren, als das südkoreanische Unternehmen ankündigte, für 8 Mrd US-Dollar den amerikanischen Hersteller von Auto-Infotainment-Systemen Harman International Industries zu übernehmen.

Gemeinsam sind die Unternehmen nun einer der Größten, wenn es um Infotainment-Systeme der Spitzenklasse geht, die in Fahrzeugen verbaut werden. Ihr Plan ist, das "digitale Cockpit" zu kreieren - ein High-Tech-Armaturenbrett für das ultra-vernetzte Automobil, ausgestattet mit Monitoren von einer Seite bis zur anderen. Über die Bildschirme lässt sich alles ablesen und steuern: vom Klima im Fahrzeug bis zur Kühlschranktemperatur zuhause. Surfen im Web ist genauso möglich wie das Streamen von Videos.

Ein paar Jahre wird es noch dauern bis zur Serienreife des digitalen Cockpits. Analysten schätzen, dass es in drei Jahren verfügbar sein wird. Langfristig will sich Samsung als führender Ausstatter für Fahrzeuge der autonomen Fortbewegung etablieren. "Wenn wir selbst nicht mehr fahren müssen, sollten wir darüber nachdenken, wie wir unsere Zeit im Auto verbringen", sagt Luca De Ambrocci vom Marktforschungsunternehmen IHS Markit.

Die kommende Generation der Mobilfunkkommunikation heißt 5G. Sie wird 100mal schneller sein als das heutige LTE. Diese Entwicklung kommt den Plänen von Samsung sehr entgegen. Im August kündigte das Unternehmen an, innerhalb der nächsten drei Jahre mehr als 22 Mrd US-Dollar in Bereiche wie Mobilfunkkommunikation, künstliche Intelligenz und Fahrzeugtechnik zu investieren. "Das vernetzte Automobil steht vor dem technologischen Durchbruch. Der kann aber nur gelingen mit 5G", sagt Lee Won-sik, Leiter des Automotive Research- und Entwicklungsteams bei Samsung.

Pläne, Autos mit allen Funktionen und Möglichkeiten eines Smartphones aufzuladen, stoßen bislang noch auf Sicherheitsbedenken. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder auf die Gefahren und das Ablenkungspotenzial von Multi-Media-Systemen in Fahrzeugen hingewiesen. Auch deshalb verzichten viele Automobilhersteller auf Features, die die Aufmerksamkeit des Fahrers zu sehr beanspruchen. "Automobilhersteller tun ihr Bestes, um einen Mittelweg zwischen Sicherheit und technischem Komfort zu finden", so Mo Al-Badour vom Research-Unternehmen SBD Automotive.

Googles Muttergesellschaft Alphabet arbeitet hart daran, ihr Betriebssystem Android zum technologischen Bestandteil des autonomen Fahrens zu machen. Nach Ansicht von Automobilexperten könnte dies einen weiteren Vorteil für Samsung bedeuten, denn das Unternehmen ist bereits der größte Hersteller von Android-Smartphones. Erst letzten Monat legte sich die Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi auf Googles Betriebssystem ab 2021 fest.

"Samsung ist in der Lage, Ressourcen und Kompetenzen seiner Smartphone-Einheiten auf die Ausstattung von Fahrzeugen und andere Anwendungen zu übertragen", sagt Roger C. Lanctot, Direktor für den Bereich vernetztes Fahren beim Marktforschungsunternehmens Strategy Analytics. "Samsung weiß bereits, wie man Millionen vernetzter Funktionalitäten sauber und effizient verbindet. Das ist ein gewaltiger Vorteil."

Und noch etwas spielt Samsung in die Hände: Harman ist ein gut eingeführtes Unternehmen in der Automobilindustrie. Bereits vor der Übernahme durch Samsung arbeitete Harman eng mit Dutzenden von Herstellern zusammen.

Samsungs Manager betonten damals, dass Harman weitestgehend selbständig bleibe. Branchenkenner bestätigen, dass das Unternehmen seitdem kaum vom Kurs abgewichen ist.

Die Produktpalette beinhalted Softwarelösungen, mit denen Fahrer verschiedene digitale Assistenten nutzen können, so zum Beispiel Alexa von Amazon oder Bixby von Samsung. Die Software arbeitet auch mit künstlicher Intelligenz, die Vorlieben des Fahrers adaptiert und entsprechende Vorschläge macht. Eltern zum Beispiel kann sie ein Warnsignal senden, wenn ihr Sprössling mit dem Auto der Eltern eine bestimmte Gegend verlässt.

Das Samsung-Harman-Duo war 2017 bereits der zweitgrößte Anbieter von Auto-Infotainment-Systemen und lag mit 4,8 Mrd US-Dollar Umsatz nur knapp hinter Panasonic und Sanyo mit einem Umsatz von zusammen 5,1 Mrd US-Dollar.

"Bereits heute haben die Leute so viele technische Gimmicks in ihren Autos, dass die meisten nicht einmal wissen, was sie da alles haben", sagt Casten Isert, Direktor Smart Mobility beim Beratungsunternehmen Gartner. "Bedienung und Steuerung von Haushaltsgeräten aus dem Auto heraus? Ich bin mir nicht sicher, ob viele das nutzen werden", fügt er hinzu. Dow Jones

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