Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Deutsches BIP sinkt im dritten Quartal

Erscheinungsdatum Website: 09.11.2018 17:35:03
Erscheinungsdatum Publikation: 12.11.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft dürfte im dritten Quartal erstmals seit Anfang 2015 geschrumpft sein. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 0,1% gesunken ist, nachdem es im zweiten Quartal noch um 0,5% gestiegen war. Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlicht die Daten am Mittwoch um 8.00 Uhr. Drei Stunden später folgt die zweite Veröffentlichung des Euroraum-BIP durch Eurostat. Außerdem werden in der Woche die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland und diverse US-Konjunkturdaten veröffentlicht.

Die Vorstellung, dass die deutsche Wirtschaft nicht gewachsen sein soll, ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. 2017 hatte angesichts von Quartalswachstumsraten von 0,7% noch die Wahrnehmung geherrscht, Deutschland befinde sich im Boom. Im Verlauf des Jahres 2018 sank die Wachstumsrate auf 0,4% - immer noch höher als die Potenzialrate - und rückläufige Auftragseingänge sorgten für Enttäuschung.

Kapazitätsauslastung sinkt seit Jahresbeginn

Aber die Produktion war zumindest auf die ersten neun Monate gesehen stabil. Die Kapazitätsauslastung sank von 88,2% im ersten Quartal auf prognostizierte 87,1% im vierten Jahresviertel, lag aber immer noch deutlich über dem langjährigen Mittelwert von 83,9%.

In manchen Zweigen der Wirtschaft sind die Kapazitäten noch immer voll ausgelastet, und ein Mangel an Arbeitskräften verhindert eine Produktionsausweitung. Der Arbeitsmarkt allgemein "brummt", und das Gleiche sollte demgemäß auch für den privaten Konsum gelten. Die Investitionen allerdings leiden unter außenwirtschaftlichen Unsicherheiten und wollen nicht recht in Gang kommen.

Die Euphorie war also schon verflogen, als im September in der EU der neue Abgasprüfzyklus für Autos (WLTP) in Kraft trat. Die Autobauer hatten ihn nicht rechtzeitig eingeführt und drosselten in Erwartung von Absatzstockungen die Produktion. Nach Angaben von Destatis sank die Produktion von Kraftwagen und Kraftwagenteilen im dritten Quartal um mehr als 7%, während die Umsätze in dieser Kategorie im Inland und im Euroraum, wo WLTP ebenfalls gilt, sogar um 11 beziehungsweise 10% zurückgingen. Mit anderen Worten: Es wurden mehr Fahrzeuge produziert als abgesetzt.

Kfz-Sektor größte Wachstumsbremse

Manche Volkswirte sind der Ansicht, dass dies immerhin die Lagerbestände so gestützt hat, dass von dieser Seite für das dritte Quartal erneut ein positiver Wachstumsbeitrag zu erwarten ist. Aber in anderen Teilen der Verwendungsseite des BIP dürfte das WLTP-Problem negative Spuren hinterlassen haben. So sind die deutschen Ausfuhren im dritten Quartal sicher auch deshalb gesunken, weil weniger Autos exportiert wurden.

Auch die bisher für den privaten Konsum verfügbaren Daten sehen nicht allzu gut aus: Der Einzelhandelsumsatz sank nach den bisher vorliegenden Angabe der Statistiker um 2%. Und hinter dem Wachstumsbeitrag der Investitionen steht ebenfalls ein Fragezeichen. Die Inlandsumsätze der deutschen Investitionsgüterhersteller sanken im dritten Quartal um knapp 4%.

Dass das deutsche BIP schwach ausfallen würde, ahnten Analysten schon, als Eurostat vor zwei Wochen einen BIP-Anstieg von nur 0,2% meldete. Das war nur halb so viel wie erwartet und wie in den vergangenen Quartalen erzielt. Die erste Eurostat-Veröffentlichung beinhaltete eine nicht-öffentliche Schätzung von Destatis für Deutschland. Es gibt durchaus Ökonomen, die eine Abwärtsrevision des Euroraum-Wachstums auf 0,1% erwarten. Der Prognosekonsens lautet allerdings auf unverändert 0,2% Wachstum.

Am Dienstag (11.00 Uhr) veröffentlicht das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) seinen Index der Konjunkturerwartungen für Deutschland. Volkswirte gehen davon aus, dass sich dieser Index nahezu unverändert bleiben wird. Im Oktober war der Index auf minus 24,7 Punkte gesunken, den tiefsten Stand seit August 2012.

US-Inflation zieht auf 2,5% an

Aus den USA kommen in der Woche zwei Daten mit Inflationsbezug: Die Verbraucherpreise für Oktober, am Mittwoch (14.30 Uhr), und die Importpreise für denselben Monat, am Donnerstag (14.30 Uhr). Die Jahresrate der Verbraucherpreise liegt etwas über 2%, dem offiziellen Ziel der US-Notenbank, die ihren Zins im Dezember erneut anheben dürfte. Interessanter ist die Frage, wie es danach weitergeht.

Manche Beobachter sehen nach der Übernahme des US-Repräsentantenhauses durch die Demokraten nicht mehr die Notwendigkeit einer rascheren Straffung der Geldpolitik, weil Präsident Donald Trump nun schwerer "durchregieren" kann. Volkswirte erwarten für Oktober einen monatlichen Verbraucherpreisanstieg von 0,2%, wodurch die Jahresteuerung auf 2,5 (September: 2,3)% klettern würde.

Außerdem geben sich in der Woche Banker und Zentralbanker des Euroraums bei der Euro Finance Week in Frankfurt ihr traditionelles Stelldichein. Die Liste der Redner reicht von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing über EZB-Präsident Mario Draghi bis zu Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Höhepunkt ist der European Banking Congress am Freitag mit Auftritten Draghis (9.15 Uhr) Scholz' (15.15 Uhr).

DJG/hab/jhe

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