Russland Aktuell

"Russland Aktuell" enthält wichtige Nachrichten zu Wirtschaft und Politik, Unternehmen, Branchen, Märkten und Konjunktur in der Russischen Föderation. Neben Ausschreibungen und Veranstaltungshinweisen liefert der Tagesdienst hilfreiche Informationen zu Finanzierungen, Investitionen sowie Möglichkeiten der Privatisierung.

Saudi-Arabien malt sich Ende des Opec-Kartells aus

Erscheinungsdatum Website: 09.11.2018 13:50:03
Erscheinungsdatum Publikation: 12.11.2018

zurück zur Übersicht

LONDON (Dow Jones)--Die Top-Denkfabrik der Saudis untersucht den möglichen Effekt eines Auseinanderbrechens der Opec auf die Ölmärkte. Das überrascht bei einem Land, das seit nahezu 60 Jahren das Ölkartell dominiert. Die Gedankenspiele fallen mit neuen Verbalattacken auf die saudische Regierung zusammen, darunter durch US-Präsident Donald Trump, der die Organisation erdölexportierender Länder beschuldigt, die Ölpreise nach oben zu treiben. Zudem wenden sich einige Investoren wegen der brutalen Tötung eines saudischen Journalisten mit Wohnsitz in den USA vom Königreich ab.

Der Chef der Denkfabrik, Adam Sieminski, bestreitet einen Bezug zu Trumps jüngsten Aussagen. Ein Insider dagegen verweist darauf, dass die Studie eine Chance bot, die Kritik aus Washington einzubeziehen. Am Ende könnte es auch darauf hinauslaufen, dass die Ergebnis für das Ölkartell und die saudische Rolle in der Organisation sprechen. Laut Insidern spiegelt das Forschungsprojekt keine aktive Debatte innerhalb der Regierung wider, ob das Land in naher Zukunft die Opec verlassen sollte.

Hochrangige saudische Vertreter sehen die Studie aber als wichtige Untersuchung der Wirtschaftspolitik, so die Insider weiter. Sieminski sagt, er selbst habe die Studie angeordnet. Eine solche Analyse sei nicht ungewöhnlich und lote Themen aus, die für die Marktforscher sowieso von Belang seien.

Der Bericht ist Teil eines breiter angelegten neuen Denkens innerhalb der saudischen Staatsspitze über die Opec, wie die Insider beobachtet haben. Offenbar spielen diese Kräfte mit der Hypothese, die zunehmend auch die der Ölbranche teilt, dass die Ölnachfrage eines Tages ihren Zenit erreicht. In diesem Zusammenhang gilt die Studie unter hochrangigen Staatsvertretern als so etwas wie eine Übung, um durchzuspielen, wie die Märkte auf einen massiven Nachfrageeinbruch reagieren könnten. Auch darauf, dass dieser so stark donnert, dass die Opec ihre Macht verliert und sich auflöst.

Jahrzehntelang pochten die Saudis und ihre Opec-Kollegen darauf, dass das Kartell eine entscheidende globale Wirtschaftsinstitution sei - ein Forum eben, in dem die größten Produzenten ausdiskutieren, wie die Preise auf einem vertretbaren Niveau bleiben. Kritiker halten diese Absprachen aber seit Langem für wenig mehr als die Manipulation der Ölpreise auf Kosten von großen Ölverbrauchern wie den USA. Gerade Trump wettert enorm gegen diese Macht. Eine Gruppe von US-Kongressabgeordneten drängt sogar auf eine Gesetzgebung, die im Grundsatz die Opec als illegales Kartell brandmarkt.

Unter mehreren US-Präsidenten führte diese als Nopec bezeichnete Gesetzgebung ein Mauerblümchendasein. Manche hoffen jetzt auf Rückenwind durch Trump. "Das Königreich weiß, dass das Öl nicht ewig reicht. Insofern muss jenseits der Opec gedacht werden", meint der Top-Berater. Dass in Washington über Nopec nachgedacht werde, sei in den Köpfen drin.

Zwar debattiert die saudische Regierung derzeit nicht über eine baldige Auflösung der Opec, doch es wird schon hinterfragt, welche Existenzberechtigung das Kartell angesichts der Macht allein von Russen und Saudis auf den Märkten noch habe. Diese Fragen verstärken sich durch die zunehmende Kooperation Saudi-Arabiens mit Russland nur umso mehr. Vor rund zwei Jahren traten Russland und andere Ölproduzenten einem Opec-Abkommen bei, mit dem die Förderung angesichts ultraniedriger Preise gedrosselt werden sollte. Dieser Schritt war so erfolgreich, dass nunmehr angesichts eines heiß laufenden Ölmarktes über ein Öffnen der Ölhähne zum Zwecke der Abkühlung nachgedacht wird. Dieses Wochenende treffen sich die Beteiligten in Abu Dhabi erneut.

Trotz der im Grunde positiven Wirkung auf die Weltmärkte stoßen sich viele Opec-Mitglieder an der engen Zusammenarbeit, sie fühlen sich von Riad und Moskau an den Rand gedrängt. Ein Sprecher der saudischen Regierung antwortete auf eine Bitte um Stellungnahme nicht.

Die Denkfabrik - das King Abdullah Petroleum Studies and Research Center (Kapsarc) - sieht sich selbst als unabhängig. Das Personal berät herrschende saudische Stellen wie den Ölmonopolisten Aramco und das saudische Energieministerium. Laut Sieminski baut die Studie auf früheren Forschungen auf, die die Rolle der Opec bei der Stabilisierung von Ölmärkten mit ihren überschüssigen Reserven beleuchtet hatten. Das Fazit: Ohne den Puffer der Opec wäre das Preisumfeld noch schwankender und negativ für die Weltwirtschaft.

Die Saudis sind das mit Abstand wichtigstes Opec-Mitglied. Sie steuern mehr als 10 Mio Fass zu den 33 Mio Barrel Öl bei, die die Opec täglich fördert. De facto führen die Saudis seit Langem die Gruppe an. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Königreich öffentlich seine Führungsrolle herunterspielt und das Konsensdenken der Gruppe betont. Deswegen haben Einzelmitglieder - darunter auch Saudi-Arabien selbst - immer wieder bis zu einem gewissen Grad Schutz vor zu harscher Kritik bekommen.

rus/12.11.2018

zurück zur Übersicht