Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

Draghi hält Kurs auf den Ausstieg

Erscheinungsdatum Website: 26.10.2018 00:25:03
Erscheinungsdatum Publikation: 29.10.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) will ihre Bilanz trotz der anhaltenden Eintrübung der Stimmungsindikatoren und fortbestehender außenwirtschaftlicher Risiken ab Jahresende nicht mehr über Anleihekäufe vergrößern. Wie aus dem aktuellen geldpolitischen Statement der EZB hervorgeht, rechnet der Rat weiterhin mit einem Ende der Nettoanleihekäufe für das Jahresende. EZB-Präsident Mario Draghi machte in seiner Pressekonferenz deutlich, dass der Rat zwar eine gewisse Abschwächung des konjunkturellen Schwungs beobachtet, dass dies den Ausstiegskurs vorerst aber ebenso wenig gefährde wie die steigenden Finanzierungskosten Italiens oder das Risiko eines ungeregelte EU-Austritts Großbritanniens.

Draghi sagte: "Die hereingekommenen Informationen waren zwar etwas schwächer als erwartet, sie bestätigen aber unsere Einschätzung einer anhaltenden und breit angelegten Expansion der Euroraum-Wirtschaft und einer langsam steigenden Inflation." Die Risiken für den Wachstumsausblick könnten noch als weitgehend ausgewogen eingeschätzt werden.

Draghi: Müssen Dezember-Projektionen abwarten

Laut Draghi hat sich der EZB-Rat eingehend mit den Ursachen der schwächeren Konjunkturdynamik befasst. Sein Fazit: "Es ist schwer zu entscheiden, was davon vorübergehend ist und was dauerhaft, was länderspezifisch ist und was nicht und was den privaten Konsum beeinflusst und was nicht", sagte Draghi. Man müsse nun auf die Dezember-Projektionen des volkswirtschaftlichen Stabs warten. Wachstumsbremsend hat laut Draghi die deutsche Auto-Industrie gewirkt - "im dritten Quartal, aber nicht mehr danach", wie Draghi sagte. Grund sind die Schwierigkeiten der deutschen Kfz-Industrie bei der Einführung eines neuen Abgasprüfverfahrens.

Der EZB-Rat sieht weiterhin den zunehmenden Protektionismus, die Anfälligkeiten in Schwellenländern und die Finanzmarktvolatilität als wichtige Wachstumsrisiken. Volkswirte hatten eine unveränderte Beurteilung der Wachstumsrisiken als eine Voraussetzung dafür bezeichnet, dass die EZB ihre Nettoanleihekäufe tatsächlich wie derzeit geplant am Jahresende einstellt. In seiner geldpolitischen Erklärung hatte der EZB-Rat am Mittag seine Erwartung bekräftigt, dass es so kommen würde. Ein förmlicher Beschluss hierüber ist aber erst bei der Ratssitzung am 13. Dezember zu erwarten. Derzeit erhöhen die Zentralbanken des Eurosystems ihre Anleihebestände noch monatlich um 15 Milliarden Euro.

EZB rechnet mit unveränderten Zinsen bis zum Herbst 2019

Der Rat hatte zudem seine Aussage bekräftigt, dass die Zinsen mindestens "über den Sommer 2019" auf dem jetzigen Niveau bleiben dürften und auf jeden Fall so lange, bis die Inflation eine überzeugende Wende in Richtung des mittelfristigen Ziels von knapp 2 Prozent vollzogen habe. Zum Inflationsausblick sagte Draghi: "Die grundlegende Stärke der Wirtschaft stützt unsere Zuversicht, dass sich die Annäherung der Inflation an unseren Zielwert auch dann fortsetzen wird, nachdem wir unsere Nettoanleihekäufe schrittweise beendet haben."

Die Wirtschaft des Euroraums ist im ersten und zweiten Quartal 2018 um je 0,4 Prozent gewachsen. Eine erste Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des dritten Quartals wird Eurostat am Dienstag nächster Woche veröffentlichen. Laut Unternehmensumfragen könnte sich das Wachstum etwas abgeschwächt haben. Der von IHS Markit erhobene Einkaufsmanagerindex (PMI) sinkt seit drei Quartalen, was auch für den Index der Wirtschaftsstimmung (Esi) gilt. Im Oktober hat der PMI noch einmal einen regelrechten Satz nach unten gemacht.

Allerdings wird die Fähigkeit der Euroraum-Wirtschaft zu inflationsfreiem Wachstum als recht begrenzt eingeschätzt (rund 0,25 Prozent), so dass der Inflationsdruck auch bei einem geringeren BIP-Wachstum noch zunehmen würde. Zudem wirkt der Ölpreis gegenwärtig inflationstreibend. Der volkswirtschaftliche Stab der EZB wird am 13. Dezember neue Prognosen zu Wachstum und Inflation veröffentlichen. Im September und Juli hatte er seine BIP-Prognosen für 2018 gesenkt. In seiner aktuellen Sitzung lagen dem Rat neue Prognosen der Professional Forecasters vor, die am Freitag (10.00 Uhr) veröffentlicht werden.

Zwei Ratsmitglieder brachten neue TLTROs ins Spiel

Draghi erklärte weiter, dass eine signifikante geldpolitische Unterstützung weiterhin notwendig sei, um mittelfristig für mehr Inflation zu sorgen. "Diese Unterstützung kommt von den bis Jahresende laufenden Nettoanleihekäufen, den beträchtlichen Wertpapierbeständen und den damit zusammenhängenden Reinvestitionen, sowie von unserer Forward Guidance zu den Zinsen", sagte er. Die EZB sei zudem, falls nötig, bereit, alle ihre Instrumente so anzupassen, dass ein nachhaltiger Inflationsanstieg sichergestellt sei.

Näher wollte sich der EZB-Präsident dazu aber auch nicht auf Nachfrage äußern. Nach seiner Aussage hat der Rat für den Fall einer weiteren Eintrübung keine Verlängerung der Nettokäufe ins Jahr 2019 hinein diskutiert. Die Möglichkeit weiterer Langfristtender (TLTRO) sei nur von zwei Ratsmitgliedern zur Sprache gebracht worden. Draghi versicherte aber: "Wir haben noch viele Werkzeuge in unserem Werkzeugkasten."

Chefvolkswirt Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, geht davon aus, dass das "Ausstiegsdrehbuch" der EZB schon fertig geschrieben ist und die EZB ihre Nettokäufe am Jahresende tatsächlich einstellen wird. Auch Wachstumsraten von nur noch 0,2 oder 0,1 Prozent könnten den EZB-Ausstieg nicht verhindern, sagte Lampe mit Blick auf eine mögliche weitere Abschwächung des Wirtschaftswachstums.

Nordea: Erste Zinsanhebung erst im Dezember 2019

Und Nordea-Analyst Jan von Gerich schrieb in einem Kommentar: "Wir sehen wenig Grund, unseren Prognose einer ersten Zinsanhebung im Dezember 2019 zu ändern."

Steigende Refinanzierungskosten Italiens können laut Draghi ohnehin kein Grund für die Zentralbank sein, ihre Geldpolitik zu ändern. "Unsere Politik ist auf die Bewahrung von Preisstabilität gerichtet, nicht auf die Finanzierung von Staatsdefiziten", sagte Draghi. Sein Rat an die Italiener: "Stellen Sie nicht das Euro-Rahmenwerk in Frage und reduzieren Sie die Spreads, indem Sie die richtige Politik betreiben."

Das einzige, was die Europäische Zentralbank (EZB) für einzelne Länder tun könne, sei ein mit den bekannten Konditionen bewehrtes OMT-Programm. Aber in Bezug auf Italien handele es sich ja um eine rein fiskalische Diskussion.

DJG/hab/jhe/29.10.2018

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