Märkte der Welt

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Nike pokert hoch

Erscheinungsdatum Website: 12.09.2018 14:45:03
Erscheinungsdatum Publikation: 13.09.2018

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BEAVERTOON (Dow Jones)--In Deutschland waren es die Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan, deren gemeinsames Foto mit Recep Tayyip Erdogan nicht nur die Sportwelt erschütterte - in den USA ist es Football-Profi Colin Kaepernick. Der damalige Quarterback der San Francisco 49ers war es, der mit seinem Niederknieen während der obligatorischen Nationalhymne vor Spielbeginn gegen Rassismus und soziale Ungleichheit protestierte - eine Pose, die von vielen weiteren NFL-Profis übernommen wurde, und zum Politikum acancierte.

Und genau dieses Spielfeld hat der Sportartikelhersteller Nike nun betreten: Das Unternehmen machte eben jenen Colin Kaepernick zum Gesicht seiner jüngsten Werbekampagne. Das könnte nach hinten losgehen, aber Nike nimmt das Risiko in Kauf, um sich mit einer Sache zu verbünden, die bei jungen Kunden für große Resonanz sorgt. Der Konzern aus Oregon bekam den Protest gegen die Entscheidung schnell zu spüren und muss inzwischen einige Käuferboykotte hinnehmen. Es gab auf Twitter und anderen sozialen Medien Bilder von Menschen, die Nike-Schuhe anzündeten und das Logo aus ihrer Sportbekleidung herausschnitten. Andere Kundengruppen sprachen dagegen von Unterstützung für Nike und Kaepernick. Die Nike-Aktien gaben am Tag der Bekanntgabe um mehr als 3% nach. Seit Jahresauftakt ging es aber trotzdem noch um rund 27% nach oben.

Die Reaktion offenbart die Gefahren von Nikes Entscheidung, Kaepernick prominent hervorzuheben. Der Football-Spieler wurde 2016 zum Gesicht von Protesten, als er während der Nationalhymne auf dem Spielfeld niederkniete, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf Rassismus und soziale Ungleichheit zu lenken. Damit gab der Quarterback den Auftakt für etliche Spielerproteste, die für die NFL ein umstrittenes Thema waren. Kritik kam von US-Präsident Donald Trump und von Fans, die die Spieler für unpatriotisch halten.

Nunmehr ist Nike mit zwei bohrenden Fragen konfrontiert: erstens, ob die neu belebte Partnerschaft mit einem der kontroversesten Akteure im Sport Früchte tragen wird und zweitens, wie es dadurch um die Kontakte zur NFL bestellt sein wird. Zwar ist Nike einer der größten Sponsoren der Football-Liga. Laut Berichten verlängerten beide Seiten im Frühjahr eine milliardenschwere Partnerschaft. Doch die NFL liefert sich zugleich einen für Schlagzeilen sorgenden Rechtsstreit mit Kaepernick. Der Quarterback wirft der Liga vor, wegen seiner politischen Ansichten Teams davon abgehalten zu haben, ihn anzuheuern.

"Auch wenn der Standpunkt des Unternehmens an der Westküste, wo er beheimatet ist, gut ankommen mag, dürfte er andernorts in den USA weniger willkommen sein", meint Direktor Neil Saunders von Globaldata Retail. Auf dem heiß umkämpften Sportartikelmarkt könne sich die Marke Nike aber keine schlechten Entscheidungen erlauben. Kaepernick gab seine Rolle in der Werbekampagne auf Twitter bekannt. "Glaub an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles zu opfern. #JustDoIt", schrieb er in einem Tweet, den Nike auf dem offiziellen Twitter-Account des Unternehmens teilte.

Derweil spielte Nike selbst die Bedeutung von Kaepernick im eigenen Marketing herunter. Er sei nur einer unter vielen Athleten, die im Zuge der "Just-do-it"-Kampagne zum 30. Jubiläum der Marke eingespannt werden. So gebe es auch Verträge mit Tennis-Star Serena Williams und NFL-Spieler Shaquem Griffin, dem ersten einhändigen Spieler in der Liga. Nike wollte sich nicht dazu äußern, ob das Unternehmen wegen der Kaepernick-Werbekampagne mit Gegenreaktionen gerechnet hatte. Nunmehr will aber auch die NFL für einen Wandel sorgen und mehr auf soziale Gerechtigkeit setzen, wie Sprecherin Jocelyn Moore ausführte. "Die Fragen der sozialen Gerechtigkeit, die Colin und andere Profisportler angesprochen haben, verdienen unsere Aufmerksamkeit und unser Handeln", sagte sie.

Kaepernick ist bei Nike seit den einst glorreichen Tagen als aufstrebender Spieler bei den San Francisco 49ers unter Vertrag. Laut einem Insider handelte er nun eine erstklassige mehrjährige Partnerschaft mit dem Konzern aus, bei der es sich auch um eine Schuh- und Bekleidungslinie dreht. Jüngst war Kaepernick nicht mehr Teil von Nike-Kampagnen und hat seit März 2017 keinen Vertrag mehr mit einem NFL-Team, was ihn dazu brachte, die Liga wegen Diskriminierung zu verklagen.

Inzwischen betont auch Erzrivale Adidas, Kaepernick "auf jeden Fall" dann unter Vertrag nehmen zu wollen, wenn er ein neues Team findet. Jüngste Umfragen weisen darauf hin, wie umstritten die Kniefall-Proteste innerhalb der USA sind. 54% der Befragten halten sie für nicht angebracht, während 43% sie sehr wohl für angemessen erachten. Doch es gibt eine demografische Kluft. Unter jüngeren Menschen stehen deutlich mehr als die Hälfte auf der Seite Kaepernicks - und diese sind die Kernkundengruppe von Nike.

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