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Scholz überrascht mit Vorschlag zu Industriepolitik für Banken

Erscheinungsdatum Website: 30.08.2018 22:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 03.09.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat einen Bankenkongress in Frankfurt mit der Aussage überrascht, künftig "Industriepolitik für Banken" betreiben zu wollen. Was genau er sich darunter vorstellt, ließ der Sozialdemokrat offen, er lieferte lediglich Andeutungen. Andere Kongressmitglieder machten sich ihren eigenen Reim auf den Vorstoß des Ministers.

Scholz' Aussagen lassen sich so zusammenfassen: Wir brauchen größere, global tätige Banken, bei der anstehenden Konsolidierung des europäischen Bankensektors soll der Standort Frankfurt eine Rolle spielen, die Regierung ist ein Gesprächspartner der Banken und hilft bei Problemen.

Starke Banken sollen die Wirtschaft begleiten

"Es ist aus meiner Sicht ein Problem für eine große Volkswirtschaft wie die deutsche und auch ein Problem für die Europäischen Union und ihre Volkswirtschaft, dass die Banken, die hier tätig sind, nicht die Größenordnung und die Globalität haben, die nötig sind, um die Wirtschaft zu begleiten", sagte Scholz.

Scholz sagte, der Exporterfolg der deutschen Wirtschaft hänge davon ab, dass sie global tätig und im globalen Wettbewerb erfolgreich sei und das müsse die Finanzindustrie begleiten können. "Das bleibt eine Fragestellung, die wir zu lösen haben und mit der wir uns beschäftigen", sagte der Bundesfinanzminister. Er sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer Frage der Souveränität.

Graham: Deutsche Bankaktien keine gute Investition

Tatsächlich ist es um die deutschen Banken mit internationalen Ambitionen nicht gut bestellt: Die Kosten sind hoch, die Gewinne niedrig, ihre Aktien keine empfehlenswerte Investition, wie Bankanalyst Stuart Graham in der Konferenz sagte. Vielleicht, so vermutete er, seien Deutschland florierende Industrieunternehmen ja wichtiger?

Finanzminister Scholz räumte indirekt ein, dass dem - bisher - so gewesen sei. "Dass wir Industriepolitik im Zusammenhang mit der Finanzwirtschaft machen, das ist vielleicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein wenig aus der Mode gekommen", sagte Scholz. Das sei nicht zum Nutzen des Wirtschaftsstandortes gewesen und deswegen müsse das "eine neue Bedeutung in der politischen Bewertung und Betrachtung erhalten".

Scholz selbst könnte industriepolitische Arbeit für den Bankensektor leisten, schließlich hält die Bundesrepublik 15 Prozent an der Commerzbank AG. In jüngster Zeit hat es immer wieder Spekulationen über einen Zusammenschluss dieses Instituts mit der Deutschen Bank gegeben. Aber zu diesem Thema sagte der Finanzminister nichts, und gefragt wurde er auch nicht.

Frankfurt soll bei EU-Bankenkonsolidierung eine Rolle spielen

Stattdessen gab Scholz - wenn auch stark verklausuliert - zu erkennen, dass er europäische Bankenfusionen befürwortet, die auch von Deutschland ausgehen könnten. "Ich glaube, dass die Frage, wie man die größte Stabilität erreicht, die man braucht, um global mithalten zu können, etwas ist, über das diskutiert werden muss. Selbstverständlich brauchen wir auch eine Situation, dass, wenn es darum geht, die europäische Bankenlandschaft insgesamt neu zu ordnen, klar ist, dass das auch mit Sitz Deutschland oder mit Sitz Frankfurt möglich ist."

Wie gesagt, das größte deutsche Finanzinstitut, die Deutsche Bank, gilt eher als Problemfall, der, wie Bankanalyst Graham sagte, in den nächsten zwei Jahren gutes Wachstum und die Märkte auf ihrer Seite brauche.

Scholz sagte, die Banken müssten Sorge tragen, dass sie dort "dabei" seien, wo Erträge erwirtschaftet werden könnten, die die Stabilität der eigenen Bank gewährleisteten. Er fügte hinzu: "Wir sind allerdings Gesprächspartner. Deshalb unterhalten wir uns mit den Unternehmensvorständen, deshalb versuchen wir, die Lage zu verstehen und, wenn was zu tun ist, das Notwendige zu tun."

Hufeld: Zugewinne aus Brexit nicht wieder vertändeln

Andere Kongressteilnehmer versuchten, sich auf den industriepolitischen Vorstoß des Bundesfinanzministers einen Reim zu machen. "Wir haben eine aktive Bankenstrukturpolitik in Deutschland nie gehabt", sagte der bei Lazard für Zusammenschlüsse und Übernahmen in Nordamerika und Europa zuständige Jörg Asmussen. Er habe Olaf Scholz so verstanden, dass da ein Umdenken beginne, sagte Asmussen, mahnte aber zur Vorsicht.

Einen anderen Anknüpfungspunkt bot die Diskussion über die möglichen Stellenzugewinne Frankfurts im Rahmen des britischen EU-Austritts. Bafin-Chef Felix Hufeld sagte, wahrscheinlich würden Deutschland und Frankfurt vom Brexit profitieren, "wir dürfen es nur in den drei bis fünf Jahren danach nicht weder vertändeln". Das setze eine Finanzstrukturpolitik voraus, die von einem stärkeren politischen Willen getragen sei, wie ihn Scholz bekundet habe. "Ich würde mir das wünschen", sagte Hufeld.

DJG/hab/mgo/03.09.2018

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