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Polen verteidigt "Recht" auf Justizsystem nach seinen Traditionen

Erscheinungsdatum Website: 04.07.2018 14:20:04
Erscheinungsdatum Publikation: 05.07.2018

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BRÜSSEL (AFP)--Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat die umstrittenen Justizreformen seiner Regierung vor dem Europaparlament verteidigt. "Jedes Land hat ein Recht, sein Rechtssystem gemäß seiner eigenen Traditionen zu errichten", sagte Morawiecki am Mittwoch vor den Abgeordneten in Straßburg. "Einigkeit in Vielfalt" sei eines der grundlegenden Prinzipien der EU und "kein leerer Slogan". Der "Respekt der nationalen Identitäten" sei eine wesentliche Grundlage für Europa.

Morawiecki ist im Europaparlament unterdessen mit massiver Kritik konfrontiert worden. Redner aller maßgeblichen Fraktionen betonten am Mittwoch, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit seien die Grundlage der Europäischen Union. Diese Prinzipien müssten auch von Polen akzeptiert werden. Richter würden in Polen wegen ihrer politischen Meinung entlassen, der Staatssender sei ein Propagandainstrument, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Aber es gebe auch ein anderes Polen - das der Demonstranten und der Bürger, die sich an den Europäischen Gerichtshof wendeten, weil sie in Polen keinen fairen Prozess bekämen.

"Zerstören Sie nicht die demokratische Kultur in Ihrem Land", forderte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Udo Bullmann. Dazu gehöre auch der Schutz von Frauen- und Minderheitsrechten. Was heute in Polen stattfinde, sei das "systematische Liquidieren der demokratischen Kontrolle", kritisierte der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt. Richter würden an die Leine der Regierung gelegt und "politisch gegängelt".

Die Bürger in Polen vertrauten heute der EU mehr als ihrer eigenen Regierung, sagte die Ko-Vorsitzende der Grünen, Ska Keller. "Sie protestieren mit der blauen Europafahne, weil sie auf die EU hoffen."

Der für Wirtschaft zuständige Kommissar Valdis Dombrovskis verteidigte das Vorgehen der Brüsseler Behörde, die gegen Polen das erste Verfahren wegen Verletzung der demokratischen Grundsätze der EU eingeleitet hat. Die Europäische Union sei eine "Gemeinschaft des Rechts", betonte er. "Wenn es um eine systematische Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit geht, können wir nicht die Augen verschließen."

Aus Protest gegen ihren Zwangsruhestand ist die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Malgorzata Gersdorf, am Mittwoch zur Arbeit erschienen. Gersdorf betrat am Morgen das Gerichtsgebäude in Warschau. Sie mische sich nicht in die Politik ein, sagte die Richterin vor Journalisten. Sie wolle aber für die Rechtsstaatlichkeit in Polen kämpfen und "die Grenze zwischen der Verfassung und dem Verstoß gegen die Verfassung aufzeigen".

Gersdorf und weitere Richter verweigern sich dem von der nationalkonservativen Regierung beschlossenen Zwangsruhestand für Richter, der um Mitternacht in Kraft trat.

ost/5.7.2018

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