Märkte der Welt

Der Newsletter "Märkte der Welt" enthält - nach Regionen gegliedert - wöchentliche Zusammenfassungen und Hintergrundanalysen der wichtigsten Nachrichten zur Außenwirtschaft sowie Informationen zu Auslandsaktivitäten deutscher Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Zudem sind weiterführende Kontaktadressen mit Ansprechpartnern angegeben. Die Berichterstattung wird durch das weltweite Netz der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) unterstützt und ist mit Grafiken und Charts angereichert.

Walmart und Amazon übersehen ihre größten Rivalen

Erscheinungsdatum Website: 30.05.2018 15:00:05
Erscheinungsdatum Publikation: 01.06.2018

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NOIDA (Dow Jones)--Indien-Amazon und Walmart investieren Milliarden in ihre Expansion nach Indien, doch einen Champion am Markt übersehen sie womöglich komplett: kleine Einzelhändler im Familienbesitz. Indische Straßen, Dörfer und Slums sind übersät von winzigen Läden namens Kiranas. Die größten sind etwa so groß wie eine einfache Garage. Die Löhne sind niedrig, und die meisten zahlen keine oder nur eine geringe Miete - all diese Faktoren sorgen für niedrige Kosten. Da sie ein kleines Gebiet bedienen, bieten viele einen Lieferservice, zinsfreien Kredit und andere Dienstleistungen, die Einzelhandelsriesen nicht anbieten können oder wollen.

"Kiranas stehen wirtschaftlich besser da als Supermärkte", sagt Rajiv Lal, Einzelhandelsprofessor an der Harvard University. "Sie sind unschlagbar." Große Einzelhandelsketten aus aller Welt versuchen seit Jahren, in Indien eine profitable Nische zu finden, und scheitern daran oft. Es handelt sich um einen riesigen Markt mit 1,3 Mrd Menschen und steigenden Einkommen. Die französische Carrefour musste ihre Zelte wieder abbrechen, und auch Metro hat nur 25 Filialen. Walmart hatte die Indien-Pläne auf Eis gelegt, bis der Konzern vor kurzem einen Mehrheitsanteil am größten indischen Online-Händler Flipkart übernehmen konnte.

Die großen Konzerne wie Tata, Birla und Reliance haben eigene Supermarktketten geschaffen, kommen jedoch kaum gegen Kiranas an. Die kleinen Einzelhändler verfügen zusammen über einen Anteil von fast 90% an dem über 700 Mrd Dollar großen Markt, berichtet die indische Beratungsfirma Technopak. "Die große Herausforderung für alle Einzelhändler ist es, bei diesen Kostenstrukturen mitzuhalten", sagt Raj Jain, ehemaliger Präsident von Walmart India. Anders als in den USA, wo große Einzelhändler ihre Marktmacht nutzen, um Rabatte beim Einkauf zu erhalten, ihre Preise zu senken und kleinere Wettbewerber zu verdrängen, bieten kleine Läden in Indien oft die besseren Preise.

Obwohl sie im Großeinkauf höhere Preise zahlen, sind ihre Kosten weit niedriger als die großer Einzelhandelsketten, wodurch sie höhere Margen erzielen, heißt es in einer Studie der Boston Consulting Group. Ein Bericht von 2016 schätzt, dass die Kosten der Kiranas für Miete, Löhne und andere Betriebsausgaben weniger als 7% der Umsätze betragen. In modernen indischen Supermärkten liegen diese Kosten meist bei über 15%.

Internationale Einzelhandelskonzerne und heimische Ketten sagen, dass es an dem wachsenden Markt genug Kundschaft für alle gebe. Walmart zum Beispiel betreibt in Indien ein Großhandelsgeschäft, das auch die Kiranas bedient. "Wir glauben, dass wir Kiranas helfen können", sagte CEO Doug McMillon Anfang Mai in New Delhi, nachdem er massive Investitionen in diesen Bereich verkündet hatte. Amazon reagierte nicht auf die Frage, ob das Unternehmen Kiranas als Wettbewerber ansieht. Der Online-Händler hat sich mit Tausenden indischen Familienbetrieben zusammengetan und bezahlt sie dafür, dass sie Amazon-Pakete an nahegelegene Wohnungen ausliefern oder sie aufbewahren, bis die Empfänger sie selbst abholen.

Dennoch versuchen einige kleine Einzelhändler, sich gegen die Konkurrenz zu rüsten. Millionen von Kiranas akzeptieren seit neustem mobile Zahlungen mit E-Wallets und kommunizieren über Messaging-Apps mit Kunden. Und manche richten sogar Online-Shops ein, um ihre Produkte zu verkaufen.

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