Euro Intern

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Merkel warnt vor Wohlstandskrise durch weltweite Bedrohungen

Erscheinungsdatum Website: 17.05.2018 22:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 21.05.2018

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BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland hervorgehoben und gleichzeitig vor der Bedrohung des Wohlstands durch geopolitische Risiken gewarnt. Es sei für jedermann erkennbar, dass der Haushalt 2018 und die mittelfristige Finanzplanung "wieder sehr gute Daten aufweisen", sagte die CDU-Vorsitzende bei der Generaldebatte am Mittwoch im Bundestag. Unabhängig davon gebe es jedoch fast jeden Tag neue schlimme Nachrichten aus der Welt. Deutschland könne darauf nur im Rahmen von EU und Nato reagieren.

Die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung in Deutschland sei erfreulich und werde manchmal schon für selbstverständlich gehalten, sagte Merkel. Es sei aber keineswegs normal, dass Deutschland keine neuen Schulden mache und die Gesamtverschuldung unter 60 Prozent bringen werde. "Das, was wir schaffen, ist nichts anderes als Generationengerechtigkeit pur", sagte Merkel. Auch international finde der deutsche Kurs durchaus Unterstützung.

Leben in unsicheren Zeiten

Die Regierungschefin verwies aber auch auf die Bedrohungen, die mittlerweile Bereiche nahe den europäischen Grenzen erreicht hätten. Merkel nannte den Handelsstreit zwischen den USA und der EU, den Krieg in der Ukraine oder Attentate wie jüngst die in Frankreich und Indonesien. "Die Schlagzeilen führen uns vor Augen, in welch unruhiger und unsicherer Welt wir leben", sagte Merkel. "Die Region vor unserer Haustür ist unruhig geworden."

Die Sicherheit Deutschlands und der Wohlstand seien unauflösbar mit der Nachbarschaft verbunden, sagte Merkel. Deutschland brauche deshalb die Einbettung in die EU und die Nato.

Merkel ging in der Generalaussprache auch auf das Verhältnis zu den USA ein. Trotz aller Schwierigkeiten "sind und bleiben die transatlantischen Beziehungen von herausragender Bedeutung", meinte die Kanzlerin. Die Beziehungen müssten auch Unterschiede aushalten können, sagte Merkel mit Blick auf die Aufkündigung des iranischen Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump.

Das iranische Atomabkommen sei alles andere als ideal, aber der Iran halte sich offenbar an die Verpflichtungen, sagte Merkel. Das Abkommen sei einstimmig vom UN-Sicherheitsrat indossiert worden. Deshalb glaube die EU, dass eine Kündigung in dieser Situation nicht richtig sei.

Wieder Kritik an den Autobauern

Merkel kündigte erneut an, dass sich Deutschland an das Zwei-Prozent-Ziel der Nato halten werde. Die Frage dabei sei, wie viel Geld man brauche, um die Bundeswehr an die heutigen Anforderungen anzupassen. Neben den Auslandseinsätzen werde die Landes- und Bündnisverteidigung wieder mehr in den Vordergrund rücken, es gelte, "auch die Herausforderungen der Digitalisierung" mit in die Rechnung aufzunehmen. Dabei gehe es "nicht um Aufrüstung, sondern es geht ganz einfach um Ausrüstung", sagte Merkel.

Die Kanzlerin griff die Automobilindustrie einmal mehr an und beklagte, wie viel Vertrauen durch den Abgasskandal verspielt worden sei. Politik könne diesen Vertrauensverlust nicht wieder richten. Politik dürfe die Autoindustrie aber auch nicht mit Auflagen schwächen, die Investitionen in die Zukunft verhinderten. Eine Hardware-Umrüstung koste tausende von Euro und verschlinge auf Jahre wertvolle Ingenieursleistung. Besser sei es deshalb, die Autoindustrie bei den Zukunftstechnologien zu unterstützen, machte Merkel deutlich.

Ordnungsruf für Weidel

Die Opposition kritisierte Merkels Politik in der Generaldebatte im Bundestag erwartungsgemäß scharf. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Regierung eine "absurde Steuerpolitik" vor, die vor allem die kleinen und mittleren Einkommen belaste. "Sie reden von einer schwarzen Null, doch in Wahrheit sitzen die Steuerzahler auf einem gewaltigen Schuldenberg", sagte sie. Weidel forderte eine Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages. Nach heftiger Kritik an der Einwanderungspolitik der Regierung kassierte sie zudem einen Ordnungsruf von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht beklagte, dass die Investitionen trotz eines Investitionsstaus auf dem jetzigem "kläglichen Niveau" bleiben sollen. Unter anderem verwies sie auf den maroden Zustand der Schulen in Brennpunkten. Die Regierung müsse "eine Politik für die Mehrheit, und nicht nur für die Reichen" machen, verlangte Wagenknecht.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bemängelte, der Budgetplan sei "nur eine Fortschreibung" des bisherigen Kurses. "Noch nie hat eine Regierung mit so viel Geld so wenig gemacht", erklärte sie. "Die Einnahmen steigen, und das Land fährt trotzdem weiter auf Verschleiß." Dies gelte zum Beispiel für die Pflege.

Streit um den Wehretat

FDP-Chef Christian Lindner forderte Merkel auf, bei offenen Richtungsfragen der Regierung, die zum Beispiel über den Wehretat streite, "von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch" zu machen. "Führen Sie dieses Land, und lassen Sie Worten Taten folgen." So solle der Bundestag endlich das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada ratifizieren. Zum Zustand der transatlantischen Beziehungen forderte Lindner einen EU-Sondergipfel. "Wir wünschen uns eine abgestimmte europäische Haltung", sagte er. Kritik übte Lindner an der europapolitischen Haltung der Koalition.

Der innerkoalitionäre Streit um den Wehretat setzte sich unterdessen auch in der Bundestagsdebatte fort. SPD-Chefin Andrea Nahles betonte, sie sehe "keinen Anlass, die geringen Spielräume, die wir haben, auch noch in den Verteidigungshaushalt zu stecken". Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe in den vergangenen zwei Jahren das Geld für ihr Ressort nicht ausgegeben. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kündigte aber an, seine Fraktion werde in der Frage von mehr Mitteln für den Verteidigungsetat "nicht locker lassen".

DJG/stl/ank/brb/21.05.2018

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