Märkte der Welt

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Banken: Nach der Krise ist vor der Krise

Erscheinungsdatum Website: 02.05.2018 10:15:04
Erscheinungsdatum Publikation: 03.05.2018

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NEW YORK (Dow Jones)--Länder, die besonders unter der Finanzkrise gelitten haben, versuchen seither, ihre Banken zu reparieren. Länder, die wiederum ungeschoren davongekommen sind, haben das genaue Gegenteil getan: Sie befinden sich in einem Kreditrausch, der sie zu idealen Opfern für steigende Zinsen macht, wie Dow-Jones-Analyst JJames Mackintosh ausführt.

Australien, Kanada und Schweden führen die Liste an. Sie profitierten alle von den niedrigsten Zinsen der Geschichte, ohne zuerst eine Wirtschaftskrise und Bankenpleiten durchgemacht zu haben, wie sie in den USA und in weiten Teilen Europas vorkamen. Da sie die Lehman-Krise gut überstanden hatten, haben die Kreditinstitute der drei Länder nicht die gleichen Lektionen gelernt, die Banken in anderen Industriestaaten lernen mussten: Vorsicht bei überhitzten Immobilienmärkten und einer problematischen Fremdwährungsfinanzierung.

Das Muster ist jedem Schüler der Finanzhistorie nur allzu bekannt: Nach finanziellen Exzessen wollen Kreditnehmer, die dadurch Einbußen hatten, ihre Fehler nicht mehr wiederholen. Aufsichtsbehörden gehen indes streng gegen die zweifelhaften Praktiken vor, die zur letzten Krise geführt hatten. Das nächste Problem hat immer in den Orten, Produkten und Unternehmen seinen Ursprung, um die sich gerade keiner sorgt.

Es wäre falsch zu sagen, dass sich dieses Mal niemand Sorgen macht. Die Riksbank, die schwedische Zentralbank, ist sogar sehr besorgt. Sie warnt schon länger vor den Risiken am Immobilienmarkt und zweifelt an der Stärke der Banken. Anders als die meisten anderen Zentralbanken kann sie die Kreditvergabe jedoch nicht einschränken. Kanada hat indes die Bankenregeln wiederholt verschärft, allerdings finanzieren sich Kreditnehmer nun zunehmend bei Nichtbanken. Ermittlungen zeigen außerdem Probleme im australischen Finanzsystem. Trotz alledem sind jedoch weder die Zinsen gestiegen, noch haben Investoren entschiedene Schritte von den Banken gefordert.

Schweden ist ein ideales Fallbeispiel für Finanzkrisen: Anfang der 1990er-Jahre platzte dort eine Immobilienblase und löste eine Krise von Lehman-ähnlichem Ausmaß aus. Alle Einlagen wurden von der Regierung garantiert, eine Summe, die 4% des BIP gleichkam. Im Austausch forderte Schweden Anteile an den Banken, die die Regierung später verkaufte. Es waren die Lektionen von 1992, die die Banken während des globalen Booms in den 2000er-Jahren in Schach hielten und ihnen durch die Krise halfen. Ein Frühindikator für finanzielle Schwächen, den die Riksbank entwickelt hat, notiert inzwischen jedoch wieder höher als vor den Krisen von 1992 oder 2008.

Eine hohe Kreditvergabe bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Desaster unvermeidbar ist. Wenn die Darlehen produktiv eingesetzt werden, können sie die Konjunktur stützen und leicht zurückgezahlt werden. Eine starke Wirtschaft kann außerdem gut mit faulen Krediten umgehen. Doch eine steigende Privatverschuldung und speziell steigende Hypothekenkredite sind einige der verlässlichsten Indikatoren für nahende Probleme.

Auf Schweden, Australien und Kanada dürften sich künftige Krisen stärker auswirken als auf andere Märkte. Die Banken dieser Länder finanzieren sich im Ausland, oft auf kurzfristiger Basis. Dadurch sind sie einer Verknappung der Liquidität schutzlos ausgesetzt. Sowohl nach der Lehman-Krise als auch während der Euroschuldenkrise 2011 und 2012 wurde die Panik von einer Dollar-Knappheit außerhalb der USA verschärft.

Die Finanzierung im Ausland schafft im Krisenfall ein Dilemma für Zentralbanken. Senken sie die Zinsen, um den heimischen Kreditnehmern zu helfen, schwächt das die Währung, sodass die Auslandsschulden für Banken teurer werden. Heben Zentralbanken hingegen die Zinsen an, um die Währung zu stützen, können Verbraucher ihre Bankkredite häufig nicht mehr bedienen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat Australien und Kanada vergangenen Monat im Rahmen ihres Frühwarnsystems für Finanzkrisen auf die Warnstufe Gelb gesetzt, weil ihre Banken so stark von der Auslandsfinanzierung abhängen. Beide Staaten schlagen sich auch in drei anderen Frühwarnkategorien schlecht. Kanada ist das einzige Land, dem in allen vier Kategorien Probleme bevorstehen. In zwei Kategorien steht die Warnstufe Rot, in zwei anderen die Warnstufe Gelb zu Buche. Schweden liegt beim Verschuldungsgrad der Privathaushalte bei Gelb.

Die Immobilienmärkte kühlen sich einige Zeit vor einer Finanzkrise in der Regel etwas ab. Diese Dynamik scheint in manchen Märkten bereits eingesetzt zu haben. Die Preise für Wohnungen in Stockholm sind in den vergangenen zwölf Monaten um über 10% eingebrochen, berichtet der Nasdaq OMX Valueguard Index. Die Preise im australischen Sydney lagen im März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2% im Minus, meldet Corelogic. In Toronto sind sie seit vergangenem Sommer um 7% gefallen, zeigen die Teranet Indizes, landesweit waren die Preise jedoch etwas stabiler.

Alle drei Länder könnten ihre Probleme lösen. Der Anteil der faulen Kredite ist noch gering - in Schweden ist ihr Anteil der zweitniedrigste in Europa - und ihre Volkswirtschaften entwickeln sich gut. Doch sucht man nach den wahrscheinlichsten Opfern einer Liquiditätsknappheit, hält man am besten nach den Ländern Ausschau, die vom billigen Geld am meisten profitieren.

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