Euro Intern

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EZB-Präsident plädiert für "Politik der ruhigen Hand"

Erscheinungsdatum Website: 26.04.2018 22:30:02
Erscheinungsdatum Publikation: 30.04.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt derzeit eine abwartende Haltung in ihrer Geldpolitik ein. Bei den Diskussionen im Rat sei eine "Politik der ruhigen Hand" erwähnt worden, sagte Präsident Mario Draghi bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Zinsentscheidung. Derzeit seien "Vorsicht, Geduld und Beharrlichkeit" angebracht, fügte Draghi hinzu. Auf diesen taubenhaften Äußerungen gab der Euro deutlich nach.

Die EZB sei weiter zuversichtlich, dass die Inflation mittelfristig wieder auf den Zielwert von knapp 2 Prozent einschwenken werde, sagte Draghi, auch wenn angesichts der jüngsten Wachstumsabschwächung eine größere Vorsicht nötig sei. Im Rat sei der geldpolitische Ausblick nicht diskutiert worden.

Die Risiken wegen globaler Faktoren hätten zugenommen und Draghi stellte klar, dass er damit den wachsenden Protektionismus meinte. Die Gesamtinflation dürfte bis zum Jahresende um 1,5 Prozent rangieren, steigende Löhne sollten aber die Inflation untermauern.

Zuvor hatte der EZB-Rat entschieden, den Leitzins und das Kaufprogramm nicht anzutasten. Damit liegt der Hauptrefinanzierungssatz weiter bei 0,00 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz bei 0,25 Prozent und der Satz für Überschusseinlagen bei der EZB bei minus 0,40 Prozent. Auch die Forward Guidance zu Zinsen und Kaufprogramm bestätigte die EZB.

EZB hält langfristig angelegten Ausstiegspfad fest

Die zuletzt aufgekommenen Wachstumssorgen habe Draghi auffallend gelassen heruntergespielt, meinte NordLB-Analyst Christian Lips. "Damit hält die EZB an ihrem langfristig angelegten Ausstiegspfad fest, dürfte aber nicht vor der Juli-Sitzung konkrete Maßnahmen verkünden", sagte Lips. Das Ende des Kaufprogramms - vermutlich zum Jahresende 2018 - rücke damit näher. Die NordLB hält daher weiterhin eine erste Zinsanhebung des negativen Einlagesatzes ab Mitte 2019 für realistisch.

Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding wertete eine Aussage der EZB als "versteckte Risikoverlagerung". In ihrem Statement führe die EZB jetzt nur noch Abwärtsrisiken für das Wachstum auf, nämlich solche, "die in Verbindung mit globalen Faktoren stehen, einschließlich der Gefahr eines verstärkten Protektionismus, die größer geworden sind". Schmieding erwartet, dass die EZB ihre Forward Guidance mit einer "Serie von Baby-Schritten" anpassen wird. Da die Wertpapierkäufe ohnehin bis Ende September 2018 laufen sollen, stehe die EZB nicht unter Entscheidungsdruck.

Die EZB habe an zentralen Beschlüssen festgehalten, konstatierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe. "Beim Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik setzt sie weiter auf Vorsicht", sagte Krüger. Ein Enddatum für die Wertpapierkäufe werde jetzt wohl erst im Juli genannt und nicht schon im Juni. Aber es gebe keine Zweifel, dass die Käufe am Jahresende eingestellt werden. Trotz der Wachstumsabschwächung sei kein Trendwechsel zu einem Konjunkturpessimismus der EZB zu beobachten.

Draghi gelingt der Spagat

Nach Ansicht von Jan Holthusen, Leiter des Fixed Income Research bei der DZ Bank, ist EZB-Präsidenten Mario Draghi ein Balanceakt gelungen. "Einerseits wollte er die jüngste Abschwächung der Konjunkturdynamik nicht überdramatisiert wissen, andererseits sollten auch noch keine Erwartungen über bevorstehende Zinserhöhungen geschürt werden", sagte Holthusen. "Dieser Spagat ist Draghi recht gut gelungen.

Draghi habe geliefert, was zu erwarten war - "wenig Neues, wenig Konkretes und schon gar nicht eine Diskussion über eine Normalisierung der Geldpolitik", sagte Holthusen. "Am 14. Juni wird er konkreter werden müssen."

Der Euro fiel auf den tiefsten Stand seit Mitte Januar. Mit 1,2121 Dollar lag er unter der Unterstützung von 1,2160 Dollar. Von einem nachhaltigen Bruch wollen Marktteilnehmer aber noch nicht sprechen.

"Die EZB ist zwar weiter zuversichtlich, dass sich die Wirtschaft auf einem soliden Wachstumspfad befindet und die Inflation in den kommenden Jahren auf die Zielrate zusteuern wird, jedoch hat sie die jüngste Verschlechterung der europäischen Wirtschaftsdaten zu einer gewissen Vorsicht veranlasst", sagt Analyst Brendan Lardner von State Street. "Offenbar möchte die EZB noch warten, bevor sie sich auf eine Veränderung der Geldpolitik festlegt", ergänzte er.

DJG/apo/smh/30.04.2018

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