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Bulgarien steht vor Investitionsschub

Erscheinungsdatum Website: 19.04.2018 15:30:04
Erscheinungsdatum Publikation: 20.04.2018

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SOFIA (APA)--Die Bulgaren, die derzeit den EU-Ratsvorsitz innehaben, müssen sich beim dringend nötigen Ausbau ihrer Infrastruktur sputen. Für die Periode 2014 bis 2020 sind die EU-Fördertöpfe mit 16 Mrd Euro gefüllt - Bulgarien hat aber erst 8% entnommen. "In den nächsten Monaten wird es sehr viele Ausschreibungen geben", erwartet die österreichische Handelsdelegierte in Sofia, Ulrike Straka.

"Sie werden das schon ausnutzen, aber sie müssen sich beeilen", meinte die Marktexpertin am Donnerstag vor Journalisten in Wien. In der vorangegangenen Förderperiode sei der Ausnützungsgrad so knapp vor dem Ende "auch nicht anders" gewesen - und letztlich seien doch noch 98% abgeschöpft worden.

Österreichische Unternehmen wie etwa Strabag, Porr, Wienerberger, Palfinger, Kapsch TrafficCom und die Telekom-Austria-Tochter MTel sind jetzt schon stark vor Ort vertreten - im Bereich Infrastruktur stehe in Bulgarien jedenfalls ein Investitionsschub bevor, ist die Wirtschaftsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich überzeugt. Als besonders interessantes von der EU gefördertes Projekt strich sie die Metro in Sofia hervor - es gebe zwei Linien, die dritte werde gerade gebaut. Dabei sei etwa die österreichische Siemens mit Signaltechnik und U-Bahn-Garnituren zum Zug gekommen.

Österreich sei jetzt schon der zweitgrößte Auslandsinvestor in dem Land - davor rangierten nur die Niederlande. Insgesamt gingen die FDI in Bulgarien 2017 um 12% auf rund 950 Mio Euro zurück, doch "die österreichischen Firmen weiten aus", so Straka.

"Österreich ist unter den größten ausländischen Arbeitgebern in Bulgarien", betonte die Wirtschaftsdelegierte. Der Energiekonzern EVN betreibe beispielsweise ein Drittel des Stromnetzes, die OMV ein Tankstellennetz - im Versicherungssektor seien von österreichischer Seite her vor allem die Vienna Insurance Group, die UNIQA und die Grazer Wechselseitige aktiv, im Bankensektor Raiffeisen. "Die Firmen, die dort sind, sind zufrieden und investieren weiter", warb Straka für den Wirtschaftsstandort Bulgarien und bedauerte, dass beim Gedanken an Bulgarien "Negativthemen" dominierten.

Österreichische Wirtschaftstreibende wünschen sich beispielsweise eine stärkere Bekämpfung von Korruption und Kriminalität, eine berechenbarere Wirtschaftspolitik, mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie (Auflagen und Vorschriften), wie aus einer Online-Umfrage des WKÖ-Außenwirtschaftsbüros in Sofia unter 35 österreichischen Niederlassungen in Bulgarien ergab, die vergangenen Herbst durchgeführt wurde. Weiters nach wie vor auf der Wunschliste der Unternehmer stehen eine höhere Qualifikation der Arbeitskräfte sowie Verbesserungen in Sachen Infrastruktur und Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Diese werden auch in Bulgarien knapp - "aber noch nicht ganz so arg wie in Tschechien und Ungarn", merkte Straka an. Abwanderung ist jedenfalls ein Thema. Allein im IT-Sektor fehlen den Angaben zufolge 40.000 Leute.

Auf der Positivseite bietet das Land den Investoren ein relativ niedriges Lohnniveau - und das obwohl es 2017 gegenüber dem Jahr davor um 12, in der Bauwirtschaft sogar um 20%, gestiegen ist. Viele österreichische Firmen nützen das für ein "Outsourcing" bestimmter Produktionsschritte, vor allem im Metallverarbeitungsbereich, um Geld zu sparen und so international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Auch die steuerliche Situation ist mit einer Körperschaftsteuer und einer Einkommensteuer in Höhe von jeweils 10% attraktiv. Dem jährlichen Weltbank-Bericht "Doing Business" zufolge schneidet Bulgarien in Summe ganz gut ab - das Land punktet demnach beispielsweise mit schnellen Baugenehmigungen und einer überdurchschnittlichen Performance bei der Rechtsdurchsetzung. Die Verfahrensdauern seien kürzer als im EU-Schnitt.

"Für die Unternehmen zahlt es sich offensichtlich aus hinzugehen - sie errichten neue Werke", sagte Straka und verwies etwa auf die Baustofffirma Baumit, die ein zweites Werk plane, und den südafrikanisch-britischen Papierriesen Mondi, zu dem in Österreich Mondi Frantschach und Mondi Neusiedler gehören, und der vor wenigen Tagen ein 600 Mio Euro schweres Investment in Plowdiw, der europäischen Kulturhauptstadt 2019, bekanntgegeben habe. "Der Wirtschaft dort geht es sehr gut", so die Handelsdelegierte.

Im bilateralen Außenhandel stieg Österreich 2017 mit einem Defizit von 140 Mio Euro aus - einem Überschuss von 173 Mio beim Austausch von Waren stand ein Passivum von 313 Mio bei den Dienstleistungen gegenüber. "Wir haben ein Handelsvolumen von 2 Mrd Euro", vermerkte Straka. 2016 sei es erstmals zugunsten Bulgariens gekippt. "Bei den Dienstleistungen sind sie ganz stark."

2017 erhöhte Österreich seine Warenausfuhren nach Bulgarien um 6,4% auf 690 Mio Euro, die Importe von dort legten aber um 11,2% auf 517 Mio fast doppelt so stark zu. Beim heimischen Dienstleistungsexport dorthin gab es eine Stagnation bei 268 Mio (plus 0,4%), bei einem gleichzeitigen Anstieg der Importe um 9,2% auf 581 Mio Euro. "Und dieser Trend könnte sich fortsetzen", so die Wirtschaftsdelegierte.

ost/20.4.2018

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