Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

Draghi spielt Streichung des "Easing Bias" herunter

Erscheinungsdatum Website: 08.03.2018 18:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 12.03.2018

zurück zur Übersicht

FRANKFURT (Dow Jones)--Präsident Mario Draghi hat die Streichung des Easing Bias zu Wertpapierkäufen im geldpolitischen Statement der Europäischen Zentralbank (EZB) herunterzuspielen versucht. In der Pressekonferenz zur Erläuterung der jüngsten geldpolitischen Beschlüsse sagte Draghi, diese Entscheidung sei "rückwärtsgewandt", sie enthalte keine neuen Informationen. Das Inflationsbild habe sich seit der Januar-Sitzung nicht deutlich geändert. "Es gab nicht viele Diskussionen über Änderungen der Geldpolitik in den kommenden Monaten", sagte er. Die Geldpolitik werde "reaktiv" bleiben.

"Draghi spielte diese Änderung zu Recht herunter", schrieb Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer in einem Kommentar. Dieses Versprechen sei angesichts eines starken Wirtschaftswachstums und geschwundener Deflationsrisiken zuletzt ohnehin nur noch eine leere Hülle gewesen.

Volkswirte hatten überwiegend Beibehaltung des Easing Bias erwartet

Zuvor hatte der EZB-Rat beschlossen, den Finanzmärkten keine Ausweitung ihrer Anleihekäufe mehr in Aussicht zu stellen. Bei der Bekanntgabe ihrer geldpolitischen Entscheidungen ließ die EZB den Passus weg, dass die EZB notfalls bereit wäre, Umfang und/oder Dauer der Ankäufe zu erhöhen, sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen das notwendig machen. Volkswirte hatten überwiegend erwartet, dass sich die EZB mit der Streichung des "Easing Bias" noch Zeit lassen würde.

Diese Entscheidung sei "vor allem deshalb interessant, weil der Inflationsausblick weiter gedämpft ist und sich die Inflation der Eurozone weiter deutlich unter der Zielmarke der EZB, die ja bekanntlich bei 2 Prozent liegt, stabilisiert", schrieb Jens Klatt, Chefanalyst bei JFD Brokers, in einem Kommentar.

"Die Währungshüter haben sich damit selbstbewusst gezeigt, ihren vorbereiteten Plan durchgezogen und nicht auf aktuelle Marktunsicherheiten wie Strafzölle, politische Unsicherheiten in Italien oder die jüngste Euro-Stärke reagiert", kommentierte Jan Holthusen, Leiter des Fixed Income Research, die Entscheidung.

Berenberg: EZB verkündet Verringerung der Ankäufe im Juni oder Juli

Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding erwartet, dass die EZB im Juni oder Juli eine Verringerung ihres Anleihekaufprogramms APP ab September ankündigen wird. Schmieding geht ferner davon aus, dass die EZB dann auch eine engere Verknüpfung von Zins-Guidance und Inflationsausblick herstellen wird. Im September wird die EZB laut Schmieding mitteilen, dass sie von Oktober bis Ende Dezember monatlich nur noch Wertpapiere für 15 Milliarden Euro kaufen wird.

Das Bankhaus Lampe rechnet damit, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bei seiner Sitzung im April die Formulierung aus dem geldpolitischen Statement streichen wird, wonach die Anleihekäufe so lange fortgeführt werden sollen, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur des Inflationspfads erkennt. "Da muss er irgendeine andere Formulierung finden, etwas weniger Verbindliches, das zeigen auch die aktuellen Inflationsprojektionen", sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger.

EZB zuversichtlich mit Blick auf Inflationsziel

Laut Draghi ist die EZB trotz einer leicht reduzierten Inflationsprognose für 2019 zuversichtlich, dass die Inflation im Euroraum mittelfristig den Zielwert von knapp 2 Prozent erreichen wird. "Der Wachstumsausblick stützt unsere Zuversicht, dass sich die Inflation mittelfristig unserem Ziel von unter, aber nahe 2 Prozent nähern wird."

Laut Draghi rechnet der volkswirtschaftliche Stab der EZB damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums im laufenden Jahr um 2,4 Prozent steigen wird. Im Dezember war für 2018 ein BIP-Wachstum von 2,3 Prozent prognostiziert worden. Für 2019 und 2020 werden weiterhin Wachstumsraten von 1,9 und 1,7 Prozent erwartet. Das Wachstum sei zuletzt etwas stärker als erwartet gewesen.

Für die Inflation prognostiziert der Rat nun 1,4 (1,4), 1,4 (1,5) und 1,7 (1,7) Prozent. Die Inflationsprognose für 2019 wurde somit leicht gesenkt. Die Kerninflationsprognosen wurden mit 1,1, 1,5 und 1,8 Prozent bestätigt.

Draghi kritisiert Androhung von Strafzöllen scharf

Die Ankündigung von Einfuhrstrafzöllen durch US-Präsident Donald Trump kritisierte der EZB-Präsident ungewöhnlich scharf und mit politischem Unterton. "Wenn Sie Zölle gegen Verbündete verhängen, könnte man sich fragen, wer eigentlich die Feinde sind", sagte er. Handelsstreitigkeiten sollten multilateral und nicht unilateral gelöst werden.

DJG/hab/jhe/12.03.2018

zurück zur Übersicht