Märkte der Welt

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Warum Beijing bei der KI die Nase vorn hat

Erscheinungsdatum Website: 28.02.2018 14:50:05
Erscheinungsdatum Publikation: 01.03.2018

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"Ein repressiver Staat kann ein Innovationsmotor sein"

WASHINGTON (Dow Jones)--Die chinesische Wirtschaft hat im vergangenen Vierteljahrhundert mit der kostengünstigen Produktion und dem Export von Konsumgütern wie Spielzeug und Autoreifen riesige Fortschritte gemacht. Um jedoch ein wirklich wohlhabendes Land zu werden, muss man sich vom Billighersteller zum technologischen Vorreiter wandeln. Kann ein repressiver Staat, der sich auf Fünfjahrespläne und die Überwachung der eigenen Bevölkerung spezialisiert hat, diesen Wandel schaffen?

Historisch gesehen gibt es nur wenige autoritäre Staaten, die zu innovativen Wirtschaftsmächten geworden sind. Beijing hofft das jedoch mit Fortschritten auf dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) zu schaffen. Die Regierung finanziert die Weiterentwicklung, um etwa eigene Bürger besser überwachen zu können, die als Kriminelle und Dissidenten gelten, und um potenzielle Gegner einzuschüchtern. Erforscht werden etwa Bilderkennung sowie Datensammlung und -strukturierung. Diese Technologien könnten später auch kommerziell angewendet werden. Eine Stadt mit Millionen von fahrerlosen Autos würde eine adäquate Datenanalyse und die Fähigkeit erfordern, dass die Fahrzeuge hinter einem Ball, der über die Straße rollt, auch ein spielendes Kind erwarten.

"China hat einen Vorteil, weil es dort ein größeres Gefühl von Dringlichkeit gibt", sagt Paul Triolo, Technologieanalyst bei der Eurasia Group. Im vergangenen Sommer veröffentlichte die Zentralregierung einen umfassenden Plan für die KI-Forschung. Bis 2030 soll das Land das "wichtigste Innovationszentrum der Welt" werden. Regionalverwaltungen wollen zu Software-Hochburgen werden und haben deshalb bereits 7 Mrd Dollar für die KI-Forschung versprochen. "Es gibt eine Begeisterung für KI und eine dynamische Kultur, wie wir sie in den USA - zumindest außerhalb des Silicon Valley - nicht erleben", sagt Erik Brynjolfsson, Forscher am Massachusetts Institute of Technology.

Gerade auf dem Bereich der Überwachung ist China besonders innovativ - und daher eine große Bedrohung. In der Region Xinjiang gibt es unzählige Gesichtsscanner, um Uiguren zu beobachten. Die Polizei nutzt dort Geräte, die Smartphones auf verschlüsselte Chat-Apps hin überprüfen kann, sowie auf Brillen montierte Gesichtserkennungsgeräte, mit denen Polizisten Menschenmengen nach gesuchten Personen absuchen können.

Bei der KI werden riesige Datenmengen gesammelt, um Software die Erkennung von Mustern beizubringen. "Ein repressiver Staat kann ein Innovationsmotor sein", sagt Robert Atkinson, Präsident der Information Technology and Innovation Foundation. In der Vergangenheit ist Innovation häufig daran gescheitert, dass die Regierung ihre zentrale Kontrolle erhalten wollte und Forschern wie Unternehmen keine Freiheiten eingeräumt hat.

Bei der KI könnte es jedoch anders ablaufen. Auch global erfolgreiche Internetriesen wie Tencent und Alibaba beteiligen sich an der chinesischen Forschung. Wissenschaftler haben zwar nur wenige politische Freiheiten, sagen Experten, doch sie haben die wirtschaftliche Chance, ihren eigenen Weg einzuschlagen. Zudem behindert die Regierung die Forschung nicht aus Datenschutzgründen, wie es im Westen häufig der Fall ist.

Bob Davis

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