Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Altmaier sieht nach Steuerschätzung begrenzten Spielraum für Jamaika

Erscheinungsdatum Website: 09.11.2017 17:05:31
Erscheinungsdatum Publikation: 10.11.2017

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BERLIN (Dow Jones)--Die Steuerschätzer haben den Jamaika-Parteien für die nächsten Jahre mehr finanziellen Spielraum gegeben als noch im Mai veranschlagt. Der geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) dämpfte aber Hoffnungen auf deutliche Mehrausgaben. Das Ergebnis habe die Erwartungen bestätigt: Bund, Länder und Gemeinden könnten mit weiteren Steuereinnahmen rechnen, auch wenn "die Bäume nicht in den Himmel" wüchsen. "Der zusätzliche Spielraum ist begrenzt", betonte er. Für den Bund liege er bei 15 Milliarden Euro in vier Jahren.

Zusammen mit bereits im Finanzplan eingestellten Spielräumen von ebenfalls knapp 15 Milliarden Euro bedeute dies "für die neue Legislaturperiode einen finanzpolitischen Rahmen, den wir nutzen können, ohne ungebührliche haushalterische Risiken einzugehen", hob Altmaier hervor. Die freien Mittel im Bundeshaushalt waren bereits vor der Schätzung aus dem Finanzministerium und der Unions-Fraktion auf rund 30 Milliarden Euro beziffert worden. Dem stehen aber Forderungen von mindestens 150 Milliarden Euro aus den Wahlprogrammen der Parteien gegenüber.

Altmaier forderte deshalb eine Setzung von Schwerpunkten bei den Verhandlungen. "Wir müssen uns alle immer daran orientieren, dass ein Handlungsspielraum, der vorhanden ist, nicht bedeutet, dass alle Wünsche erfüllt werden", hob der Kanzleramtschef hervor, der selber an den Sondierungsrunden teilnimmt. "Wir müssen bereit sein, Prioritäten zu setzen." Auf eine konkrete Zahl für den zusätzlichen Spielraum wollte er sich nicht festlegen. Die Bedeutung der Steuerdaten für die geforderte Abschaffung des Solidaritätszuschlages ließ Altmaier offen. "Ob und inwieweit" man darüber spreche, ihn in einem oder mehreren Schritten zu reduzieren, "ist Gegenstand der politischen Verhandlungen", sagte er. "Wie dann am Ende eine politische Einigung aussieht, kann ich hier nicht vorwegnehmen."

Mehreinnahmen von 26,3 Milliarden Euro

Nach den Berechnungen der Steuerschätzer können Bund, Länder und Gemeinden dieses Jahr mit 1,8 Milliarden Euro und kommendes mit 6,9 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen als erwartet. Auch für die Folgejahre soll es Mehreinnahmen geben - sie sollen insgesamt von 2017 bis 2021 bei 26,3 Milliarden Euro liegen. Zu dem Ergebnis ist der Arbeitskreis Steuerschätzung gekommen, der die Zahlen drei Tage lang in Braunschweig berechnete.

Im Jahr 2019 sollen die Mehreinnahmen in den öffentlichen Kassen bei 5,6 Milliarden Euro liegen und 2020 bei 6,3 Milliarden. Nach der Kalkulation der Steuerschätzer soll es 2021 dann Steuermehreinnahmen von 5,7 Milliarden Euro geben. Dem Bund allein winken dieses Jahr zusätzliche Steuereinnahmen von 0,2 Milliarden Euro, und im nächsten Jahr sollen es dann 6,8 Milliarden mehr sein als zuvor angenommen.

Insgesamt sollen die Steuereinnahmen nach der neuen Schätzung 2017 gegenüber dem Vorjahr um 4,0 Prozent auf 734,2 Milliarden Euro und 2018 um 4,1 Prozent auf dann 764,3 Milliarden Euro wachsen. Im Mai hatten die Schätzer noch mit Einnahmen von 732,4 Milliarden Euro in diesem und 757,4 Milliarden Euro im kommenden Jahr gerechnet. Für die nachfolgenden Jahre veranschlagen die Experten jährliche Zuwächse zwischen 3,7 und 4,0 Prozent. Im Jahr 2022 sollen die Einnahmen nach ihrer Kalkulation bei 889,6 Milliarden Euro liegen.

Wirtschaft will Steuersenkungen und Investitionen

Die Wirtschaft reagierte auf die Steuerschätzung mit der Forderung, die "glänzende Kassenlage" für einen strukturellen Umbau zu nutzen. "Der Weg in die digitale Zukunft erfordert von Unternehmen und Staat alle Kraft. Deshalb gibt es trotz glänzender Kassenlage keine Spielräume für die Einlösung teurer Wahlversprechen", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Holger Bingmann. Er forderte die Senkung von Steuern und Abgaben und Investitionen in Bildung und Infrastruktur, "statt den Sozialetat weiter in die Höhe zu treiben".

In die gleiche Kerbe schlug der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. "Wann, wenn nicht jetzt, sollte die steuerliche Belastung der Unternehmen in Deutschland gesenkt werden", sagte er. Die finanzielle Ausgangslage in Bund, Ländern und Gemeinden sei so gut wie seit den 1960er Jahren nicht mehr. "Steuersenkungen schaffen Rückenwind für mehr private Investitionen." Gleichzeitig bestehe weiterhin Spielraum für öffentliche Investitionen. Bei Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Glasfaserausbau dränge die Zeit.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) warnte, sowohl die Energiewende als auch die Digitalisierung stellten Deutschlands industriellen Mittelstand vor enorme Herausforderungen. "Ohne massive Investitionen in die Produktion werden die Unternehmen diese Aufgabe nicht meistern können", sagte Chefvolkswirt Ralph Wiechers. Deshalb müsse die nächste Regierung den bestehenden fiskalischen Spielraum auch dazu nutzen, steuerliche Investitionsanreize zu schaffen. Er forderte eine steuerliche Forschungsförderung und eine unbefristete degressive Abschreibung für Abnutzung (AfA). Damit könne "Jamaika den Investitions- und Innovationsschub auslösen, den unser Land dringend braucht".

DJG/ank/bam

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