Märkte der Welt

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GM fordert Tesla heraus

Erscheinungsdatum Website: 31.10.2017 16:35:03
Erscheinungsdatum Publikation: 02.11.2017

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Ausstieg aus volatilen Märkten / Autonomes fahren im Fokus

NEW YORK (Dow Jones)--Jahrelang hatte die Wall Street wenig Interesse an General Motors, obwohl der US-Autobauer Rekordgewinne, eine grundsolide Bilanz und neue Vertriebsstrategien vorweisen kann. Seit Neuestem hören Investoren wieder genauer hin, denn gerade hat GM eine Serie von Ankündigungen zur Entwicklung fahrerloser Autos gemacht. So liebäugelt der Konzern damit, innerhalb weniger Quartale ein selbstfahrendes Auto auf den Markt zu bringen, das per Taxi-App Menschen zu den von ihnen gewünschten Orten transportiert. Angesichts dieser hochfliegenden Pläne störte auch der im 3. Quartal um 31% eingebrochene bereinigte operative Gewinn von 2,5 Mrd USD nicht allzu sehr.

Aber der Wettbewerb ist knallhart: Die Google-Schwester Waymo tüftelt seit 2009 an Software für das autonom fahrende Auto. Zudem kündigte der Autozulieferer Delphi, der einst Teil von GM war, den Kauf der Nutonomy an, die im kommenden Jahr eigene "Robotaxis" auf die Straßen von Singapur bringen will. GM stellt ausgiebige Informationen zu seinem Mobilitätsprogramm bis Ende des Jahres in Aussicht. Das Unternehmen muss den Investoren mehr konkrete Belege dafür liefern, dass man im Rennen um die neue Technologie die Nase vorn hat - und misst sich überdies mit Tesla.

Der Aktienkurs stagnierte in den vergangenen vier Jahren, konnte gerade jedoch neue Rekordhöhen erreichen. Der Marktwert von GM liegt mit 66,5 Mrd USD deutlich über dem von Ford und Fiat Chrysler. Wichtiger noch als die Rivalen aus Detroit auszustechen ist für GM jedoch, den E-Auto-Pionier Tesla zu schlagen, der als Zukunft der Autoindustrie gefeiert wird. Die Kalifornier wurden Anfang des Jahres zum wertvollsten amerikanischen Autobauer. Produktionsprobleme beim neuen Model 3 haben die Begeisterung jedoch etwas gedämpft. Investoren könnten angesichts der Fortschritte bei GM und der Produktionsprobleme bei Tesla jetzt entscheiden, dass ihr Kapital zum Teil von Tesla zurück zu GM fließen sollte, sagt Barclays-Autoanalyst Brian Johnson. Im Wettrennen um moderne Automobiltechnologien habe man den Konzern zuletzt unterschätzt, sagt er. Er habe gute Karten gegen die Marktneulinge aus dem Silicon Valley wie die Alphabet-Tochter Waymo und Uber Technologies.

Ambitionierte Übernahmen

Ein Sprecher von GM sagt, dass man mit den jüngsten Kursanstiegen zwar zufrieden sei. Man glaube jedoch weiterhin, dass die Aktien unterbewertet sind. CEO Mary Barra investierte Anfang des vergangenen Jahres 500 Mio USD in den Uber-Wettbewerber Lyft und kaufte das Start-up Cruise Automation, das sich auf fahrerlose Autos spezialisiert hat. Seitdem hat sich der Wert von Lyft verdoppelt, und die Mitarbeiterzahl bei Cruise ist von 40 auf 350 gewachsen. So hat Barra schon vor über einem Jahr die Weichen gestellt, damit GM in der Liga der Mobilitätspioniere mitspielen kann.

Diesen Monat hat Cruise seinerseits die Firma Strobe übernommen, die kostengünstige Lidar-Sensoren herstellt. Für fahrerlose Autos sind diese die Augen und Ohren. Diese Schritte sowie die Dynamik in der E-Mobilität würden der Annahme widersprechen, dass GM ein "sterbender Dinosaurier" sei, sagt Barclays-Analyst Johnson. Der Druck auf Barra wächst dennoch weiter. Joseph Spak, Autoanalyst bei RBC Capital Markets, betont, dass Investoren genau nachfragen müssen, wie GM seine Hightech-Strategie überhaupt finanziert. Sie könnte auf Jahre ein Verlustgeschäft bleiben. Noch gebe es zudem kein klares Geschäftsmodell für fahrerlose und Elektroautos sowie Ridesharing.

Das traditionelle Autogeschäft sieht sich indes mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. GM dürfte im 3. Quartal einen Rückgang des Betriebsgewinns um 33% verzeichnet haben. Die nordamerikanische Produktion sei um 25% geschrumpft, berichtet WardsAuto.com. Die sinkende Produktion hat mit der geringeren Nachfrage nach Familienautos, Luxuslimousinen und Kompaktwagen sowie mit anderen Faktoren zu tun.

Barra beendet gerade das Engagement in vielen volatilen Märkten, während die Wettbewerber verstärkt einsteigen: GM hat den Verkauf des verlustreichen Europageschäfts abgeschlossen und war zuvor schon aus dem russischen und indischen Markt ausgestiegen. Außerdem hat der Konzern das komplette Auslandsgeschäft mit Ausnahme von China unter ein Dach gebracht und die Produktion in Australien beendet. Dies Schritte dürfte dem Unternehmen helfen, die Rekordgewinne aufrechtzuerhalten, selbst wenn das Geschäft in China und den USA schrumpft. Das Unternehmen rechnet mit einer Umsatzrendite in Nordamerika von 10% - eine Zahl, die sonst nur Luxusmarken und Toyota erreichen.

Barras Strategie hebt sich deutlich von denen heimischer Rivalen ab, was laut Analysten einen hohen Marktwert rechtfertigen könnte. Fiat-Chef Sergio Marchionne wagt sich nur zögerlich an experimentelle Technologien heran und konzentriert sich stattdessen auf die Suche nach einem Partner, der dem Unternehmen mehr Größenvorteile verschaffen könnte. Obwohl Ford unter einem neuen CEO Fortschritte bei fahrerlosen und elektrischen Fahrzeugen macht, scheint die Kosteneinsparung einen höheren Stellenwert zu besitzen. Beide Unternehmen legen demnächst ihre Zahlen vor.

Tesla legt am 1. November seine Ergebnisse vor und steht vor einer wohlbekannten Liste von Problemen. Im Zeitraum von Juli bis September könnten hohe Verluste in den Büchern stehen, glauben Analysten. Der Elektroautobauer hatte zum Ende des jüngsten Quartals 3 Mrd USD an Barreserven und will 2 Mrd ausgeben, um den Weg für das Model 3 freizumachen.

John D. Stoll

CEO Mary Barra geht eigene Wege ? und genau diese könnten GM auf Erfolgskurs bringen. Foto: Steve Lagreca/Shutterstock

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