Märkte der Welt

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Was passiert mit der Credit Suisse?

Erscheinungsdatum Website: 23.10.2017 17:00:02
Erscheinungsdatum Publikation: 26.10.2017

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Warum eine Zerschlagung nicht sinnvoll wäre

LONDON (Dow Jones)--Zuletzt sind Rufe nach einer Zerschlagung von global agierenden Großbanken weitgehend verstummt. Das liegt nicht zuletzt an besseren Gewinnen der Geldhäuser und Erfolgen beim Konzernumbau. Doch diese ruhigeren Zeiten könnten schon bald wieder vorbei sein. So ist die Credit Suisse, die mitten in einem mehrjährigen Umbauprozess steckt, mit den Machenschaften eines Aktionärsaktivisten konfrontiert. Die genauen Pläne von RBR Capital Advisors, einer kleinen Schweizer Investmentfirma, dürften bald Woche der Öffentlichkeit präsentiert werden. Bisher sickerte aber schon durch, dass die Investoren eine Zerschlagung in drei Teile anstreben: Investmentbanking, Asset-Management und Vermögensverwaltung.

Für solche Pläne ist das Timing reichlich überraschend. Die Aktie der Credit Suisse hinkt zwar seit Amtsantritt von CEO Tidjane Thiam 2015 der Konkurrenz weiter hinterher. Aber immerhin können sich die Anleger über einen Kursgewinn von 20% freuen, seit die 4 Mrd USD schwere Kapitalerhöhung im Juni zum Abschluss kam. Thiam scheint für seinen Konzernumbau auch zunehmend die Aktionäre zu begeistern, auch wenn es anfangs zu Fehltritten und Gewinnwarnungen kam. Im Vergleich zu den ebenfalls angeschlagenen Konkurrenten Barclays und Deutsche Bank, die auch mit bohrenden Fragen über ihre Strategie und Führungsstärke konfrontiert sind, steht die Credit Suisse gar nicht mal so schlecht da.

Doch die Position der Eidgenossen ist in der Tat nicht vollkommen sicher, und RBR tut gut daran, auf solche Schwächen hinzuweisen. Wie bei beiden oben genannten europäischen Rivalen auch gehen Umsätze und Marktanteile an die US-Konkurrenz verloren - vor allem im Investmentbanking und auch nur zum Teil freiwillig. Die Kernstrategie der Schweizer besteht darin, ihren extrem reichen Klienten drei Hauptangebote zu machen. Zum Einen können sie bei der Credit Suisse Geld leihen, sodass sie ohne Verkauf ihrer Unternehmen die Chance haben, ihren Reichtum zu genießen. Außerdem hilft das Geldhaus bei Expansionsplänen einschließlich eines möglicherweise späteren Verkaufs für einen guten Preis. Zuletzt unterstützt die Credit Suisse ihre betuchte Kundschaft bei der Suche nach allen Arten von Investmentgelegenheiten. Hierzu zählen vor allem hochmargige, komplexe und illiquide Assets, die normalerweise eher etwas für institutionelle Anleger sind.

Es ist nicht einfach zu sagen, wie so manches Geschäftsfeld - etwa das große US-Verbriefungsgeschäft oder der Fokus auf die Finanzierung von Aktivitäten einiger Beteiligungsgesellschaften - zu dieser Strategie passt. Außerdem fragen sich die Anleger, warum das Asiengeschäft so sehr kränkelt, wo die Regierung doch zunehmend zur Heimat der Superreichen wird. Das Problem ist unter anderem, dass die Einzelteile der Credit Suisse für sich alleine nicht so recht stehen könnten.

Die Vermögensverwaltung - ohne von den schwachen Erträgen im Investmentbanking betroffen zu sein - käme zwar allein sicher auf mehr Wert. Das Asset-Management, das unter dem Siegeszug der passiv gemanagten Fonds leidet und relativ klein ist, hätte aber Probleme, überhaupt relevant zu bleiben. Beide Sparten würden zudem im Falle einer Abspaltung Zugang zu den Finanzprodukten verlieren, die die Investmentbank schafft. Eine Investmentbank auf eigenen Füßen - neu aufgestellt unter dem alten Namen First Boston - wäre sicherlich zu klein und zu kostspielig, um sich irgendwie zu finanzieren.

Auf sich allein gestellt wären wohl auch die Investmentsparten der Deutschen Bank und Barclays mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Falls alle drei abgespalten und später zusammengelegt würden, könnte ein echter europäischer Konkurrent zu Goldman Sachs und Morgan Stanley entstehen. Doch die kaum überwindbaren kulturellen Unterschiede würden wohl zu Auseinandersetzungen im Management führen. Manches macht bei der Credit Suisse nicht so recht Sinn, doch auch RBR scheint darauf keine angemessene Antwort zu haben.

Paul J. Davies

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