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Slowenen stimmen am Sonntag über wichtiges Bahn-Großprojekt ab

Erscheinungsdatum Website: 21.09.2017 13:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 22.09.2017

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LJUBLJANA (APA)--In Slowenien werden die Wähler am Sonntag über das größte Infrastrukturprojekt im Land entscheiden. Bei einer Volksabstimmung wird über das Inkrafttreten eines Gesetzes abgestimmt, das den Bau einer neuen leistungsstarken Bahnstrecke zwischen dem Adria-Hafen Koper und dem Hinterland festlegt. Der Bau eines zweiten Gleises zum Hafen lässt bereits seit zwei Jahrzehnten auf sich warten.

Eine Bürgerinitiative konnte mit mehr als 40.000 Wählerunterschriften das Referendum erzwingen. Die Gegner opponieren nicht gegen den Bau an sich, was sie stört ist die ausgewählte Trasse und insbesondere die hohen Kosten. Kritisiert wird außerdem das Finanzierungsmodell, das anderen Ländern, die den slowenischen Hafen nutzen, eine Mitfinanzierung ermöglicht.

Die Baukosten für die 27 km lange Strecke zwischen Divaca im Südwesten des Landes und dem Hafen werden auf fast 1 Mrd EUR geschätzt. Die Kritiker befürchten, dass die tatsächlichen Kosten noch höher ausfallen werden. Vorerst ist nämlich nur eine eingleisige Strecke geplant, die später auf zwei Gleise erweitert werden soll. Erst dann würde man den Transport über die bisherige, im Jahr 1967 gebaute, eingleisige Strecke einstellen. Terrainbedingt wird die neue Strecke überwiegend durch Tunnels verlaufen.

Den Großteil der 961 Mio EUR schweren Investition soll Slowenien tragen. Investor und Verwalter der Strecke wird die staatliche Zweckgesellschaft "2TDK" sein. Der slowenische Staat will dem Investor 200 Mio EUR aus dem Budget zuschießen. Andere Länder sollen durch ihre Investition Beteiligungen in diesem Unternehmen bekommen. Die Investitionen anderer Länder sollen insgesamt 200 Mio EUR betragen. Bisher erklärte sich lediglich Ungarn bereit, sich an der Investition finanziell zu beteiligen. Darüber hinaus soll die Investition mit EU-Fördermitteln (gerechnet wird mit 250 Mio EUR) und rund 311 Mio EUR Darlehen, insbesondere der Europäischen Investitionsbank (EIB), finanziert werden.

Die Gegner des Regierungsprojekts argumentieren, dass die Bahnstrecke um mehrere hundert Millionen Euro billiger gebaut werden könnte. Sie sind auch gegen die Mitfinanzierung durch andere Länder. Befürchtet wird, dass Slowenien dadurch die Kontrolle über die strategisch wichtige Infrastruktur verlieren und dass ausländische Investoren als Gegenleistung Anteile an dem einzigen slowenischen Hafen oder an der staatlichen Bahngesellschaft fordern könnten.

Zu den schärfsten Gegnern gehören auch die Oppositionsparteien, insbesondere die SDS des konservativen Ex-Premiers Janez Jansa. Die Beobachter sehen im Hintergrund des Referendums auch ein Kräftemessen zwischen der SDS und der Regierungspartei von Premier Miro Cerar - die nächsten Parlamentswahlen finden nämlich bereits im kommenden Jahr statt.

Das Projekt hat einen langen Bart. Bereits vor 20 Jahren wurde die erste Machbarkeitsstudie gemacht, 2005 wurde dann die Trasse festgelegt. Bisher fehlte es jedoch an Geld. Heuer wurden die Pläne konkretisiert: Cerars Regierung hat sich vorgenommen, die Bahnstrecke im Rahmen einer öffentlich-öffentlichen Partnerschaft (public-public partnership - PuP) zu bauen.

Die Transportkapazitäten der bestehenden Steilstrecke, die am Rand des Karstgebiets verläuft, reichen schon lange nicht mehr aus, um den steigenden Gütertransport im einzigen slowenischen Hafen zu decken. Im Vorjahr verzeichnete der Hafen einen Güterumschlag von 22 Mio t, davon wurden 60% der Güter über die Bahn transportiert.

Die neue Bahnstrecke ist auch für Österreich wichtig. Seit 2010 ist der Koper laut der Österreichische Verkehrszeitung der wichtige Hafen Österreichs. Umgekehrt ist auch Österreich der größte und wichtigste Markt für den einzigen slowenischen Seehafen. Ein Drittel des gesamten Güterumschlags entfällt auf Waren von oder nach Österreich.

Falls das Projekt durch die Volksabstimmung nicht gestoppt wird, dann sollen die ersten Arbeiten bereits heuer im November beginnen. Den Plänen zufolge soll das Projekt 2025 beendet sein. Um das Gesetz zu kippen, werden die Gegner ein Ablehnungsquorum von mindestens 20% erreichen müssen. Ausschlaggebend für den Ausgang des Referendums wird also die Wählerbeteiligung sein.

ost/22.9.2017

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