Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Viel Lob aus Deutschland für Junckers Rede

Erscheinungsdatum Website: 13.09.2017 17:05:29
Erscheinungsdatum Publikation: 14.09.2017

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BERLIN (Dow Jones)--EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat für seine "Rede zur Lage der Europäischen Union" viel Zustimmung von deutschen Politikern und Ökonomen erhalten.

In der Grundsatzrede hatte der Luxemburger im Europaparlament in Straßburg unter anderem das Ziel einer Einführung des Euro in der gesamten EU und der Einbeziehung aller EU-Länder in den Schengen-Raum ausgegeben und eine verschärfte Prüfung für staatliche ausländische Investitionen in strategischen Bereichen angekündigt.

"Genau das muss die Rolle der Kommission im europäischen Einigungsprozess sein: Immer nach vorne denken, Vorreiter der europäischen Idee sein, und niemals nachlassen bei der Suche nach Ideen und Vorschlägen", lobte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD). Er sprach von einer "engagierten und wegweisenden Rede" Junckers, die "den richtigen Weg für die Einheit unseres Kontinents" weise.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte, Deutschland, Frankreich und Italien begrüßten Junckers Vorschlag zu Investitionsprüfungen als wichtigen Schritt für faire Bedingungen in Europa. "Die Vorschläge der EU-Kommission sichern fairen Wettbewerb in der EU und bieten zugleich besseren Schutz vor nicht marktkonformen Firmenübernahmen", sagte Zypries. "Künftig haben wir klare Eingriffsbefugnisse der Mitgliedstaaten bei staatlich gelenkten Direktinvestitionen in europäische Unternehmen." Die drei Länder hatten die EU-Debatte dazu im Februar angestoßen.

DIW hält Euro in gesamter EU für sinnvoll

Juncker habe "sich bei den Themen Euro und Steuern als Präsident der europäischen Handlungsfähigkeit präsentiert", lobte der Grünen-Sprecher im Europaparlament, Sven Giegold. Juncker wolle Mehrheitsentscheidungen, während Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf Einstimmigkeit setze. Auch zur Reform der Eurozone habe er sich "die Bundesregierung zur Brust genommen". Noch dieses Jahr wolle er einen Europäischen Währungsfonds unter demokratischer Kontrolle der EU-Institutionen vorschlagen - und nicht wie Schäuble unter Kontrolle der Regierungen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, erklärte, er halte es "wirtschaftlich für richtig und sinnvoll, dass über die nächsten zehn bis 15 Jahre alle EU-Länder den Euro einführen". Fast alle EU-Länder hätten sich rechtlich ohnehin dazu verpflichtet, den Euro in ihrem Land einzuführen. Allerdings sei es nicht sinnvoll, dies überall sofort umzusetzen, denn die Länder müssten strikte Kriterien erfüllen. "Der Euro war und ist eine starke und stabile Währung, die vielen Ländern während der Finanzkrise Sicherheit und Stabilität geboten hat."

Juncker hatte sich in seiner Grundsatzrede dafür stark gemacht, den Euro nicht nur für "einige ausgewählte Länder" vorzusehen. "Der Euro ist dazu bestimmt, die einheitliche Währung der Europäischen Union als Ganzes zu sein", sagte er und regte deshalb die Schaffung eines "Euro-Vorbeitrittsinstruments" an, das technische und finanzielle Heranführungshilfen bieten solle. Alle außer zwei EU-Ländern seien "verpflichtet und berechtigt", dem Euroraum beizutreten, sobald sie die Bedingungen erfüllten, erinnerte er. Die EU-Bestimmungen sehen diese Verpflichtung für alle EU-Staaten außer für Großbritannien und Dänemark vor, wenn sie die Konvergenzkriterien einhalten.

Juncker will Währungsfonds in EU-Kompetenz

Der Kommissionspräsident machte sich zudem dafür stark, dass alle EU-Länder dem Schengen-Raum beitreten sollten. Rumänien und Bulgarien solle der Raum, in dem keine Grenzkontrollen gelten, "unverzüglich" geöffnet werden.

Für Dezember kündigte er Vorschläge zum "Umbau des Europäischen Stabilisierungsmechanismus zu einem Europäischen Währungsfonds" an, der "allerdings fest im Regel- und Kompetenzwerk der EU verankert" sein müsse. Juncker sprach sich auch für "einen europäischen Wirtschafts- und Finanzminister" aus, der Finanzierungsinstrumente der EU für Mitgliedsländer in Krisen koordinieren solle. Dies solle aber kein neues Amt sein, sondern dem dafür zuständigen EU-Kommissar zufallen, der dann auch den Vorsitz der Eurogruppe übernehmen solle.

Zudem schlug er vor, den Vorsitz des Europäischen Rates und der EU-Kommission zu verschmelzen. "Die europäische Landschaft wäre einfach besser verständlich, wenn das europäische Schiff nur von einem einzigen Kapitän gelenkt würde", sagte Juncker. Vorschläge eines separaten Eurozonen-Budgets oder Euro-Parlaments lehnte er ab. Juncker schlug in seiner Rede auch "eine neue industrielle Strategie für Europa" vor, und kündigte an, Handelsverhandlungen mit Australien und Neuseeland zu beginnen und bis zum Ende seines Mandats Ende 2019 abzuschließen.

DJG/ank/brb

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