Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

Draghi stimmt Märkte auf Tapering-Entscheidung im Herbst ein

Erscheinungsdatum Website: 20.07.2017 17:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 21.07.2017

zurück zur Übersicht

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat die Finanzmärkte darauf eingestimmt, dass die EZB im September oder Oktober über eine Anpassung ihres geldpolitischen Maßnahmenpakets diskutieren wird. In seiner Pressekonferenz nach der Ratssitzung sagte Draghi, im Herbst würden dem Rat die dafür notwendigen Informationen vorliegen.

Bei der Ratssitzung am 7. September veröffentlicht der Rat die neuen Projektionen des EZB-Stabs zu Wachstum und Inflation. Festlegen wollte Draghi sich auf den September jedoch nicht. Die nächste Sitzung des Gremiums mit geldpolitischer Beschlussfassung findet dann erst am 26. Oktober statt.

Der Euro wertete während der Pressekonferenz spürbar auf und notierte am Nachmittag oberhalb von 1,16 US-Dollar, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen lag dagegen immer noch leicht unter dem vor Bekanntgabe der geldpolitischen Entscheidung verzeichneten Niveau.

Volkswirte fassen die September- oder Oktober-Sitzung als Zeitpunkt für eine Tapering-Ankündigung ins Auge. "Der Oktober scheint uns der wahrscheinlichste Zeitpunkt zu sein", schrieb Nordea-Volkswirt Jan von Gerich in einem Kommentar. Alexander Krüger, der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, hat eher den September im Visier. Er sei allerdings gespannt, wie die EZB das angesichts der dann aus ihrer Sicht voraussichtlich immer noch unbefriedigenden Inflationsaussichten begründen werde, sagte Krüger.

Zuvor hatte der EZB-Rat sowohl das Niveau seiner Leitzinsen und die dazu gehörige Forward Guidance als auch Volumen und Dauer seiner Anleihekäufe nebst Forward Guidance bestätigt.

Laut Draghi will der Rat "im Herbst" über Anpassungen der Geldpolitik diskutieren, weil ihm dann alle erforderlichen Informationen vorliegen. "Wir haben das offenkundig offen gelassen", sagte Draghi auf Nachfrage. Im Frage-und-Antwort-Teil der Pressekonferenz bekräftigte er die in der Rede in Sintra zum Ausdruck gebrachte Zuversicht, dass die Konjunkturerholung letztlich auch zu einer höheren Inflation führen werde, auch wenn sie derzeit noch nicht da sei, wo sie hingehöre.

Zugleich will die EZB laut Draghi aber auch "hartnäckig" sein, indem sie den aktuellen Akkommodationsgrad ihrer Politik konstant hält. In Sintra hatte der EZB-Präsident gesagt: "Wenn die Erholung anhält, dann wird eine unveränderte Geldpolitik akkommodierender, und die Zentralbank kann die Erholung begleiten, indem sie die Parameter ihrer Politikinstrumente anpasst - nicht, um die geldpolitische Ausrichtung zu straffen, sondern um sie weitgehend unverändert zu halten."

Weder der EZB-Rat in seinem Statement noch Draghi in der Pressekonferenz gaben jedoch Hinweise darauf, wie diese Anpassungen aussehen könnten. Draghi behauptete, der Rat habe hierüber weder diskutiert noch seien irgendwelche Arbeitsgruppen mit einer Prüfung beauftragt worden. Volkswirte gehen davon aus, dass die EZB ihr Ankaufprogramm ab 2018 deutlich reduzieren muss, weil sie nicht mehr als ein Drittel aller Anleihen eines Staats oder einer Emission besitzen darf.

Überraschend war für viele Marktteilnehmer die Entscheidung des EZB-Rats gekommen, nach der Änderung der Forward Guidance für die Leitzinsen im Juni an jener für die Anleihekäufe festzuhalten. Der Rat beschloss vielmehr, für den Notfall weiterhin eine Ausweitung des Ankaufprogramms zuzusagen.

Wörtlich hieß es in der Erklärung: "Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Korrektur der Inflationsentwicklung im Einklang stehen, so ist der EZB-Rat bereit, das Programm im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer auszuweiten."

Viele Volkswirte hatten erwartet, dass die EZB diesen Passus ändern würde. In der Pressekonferenz sagte Draghi: "Eine ungewollte Straffung der Finanzierungsbedingungen ist das Letzte, was der EZB-Rat will." Er deutete außerdem an, dass dem Rat der Anstieg des Euro-Kurses Sorge bereitet. Das "Re-pricing" der Wechselkurse habe einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sagte er.

Die EZB bestätigte, dass sie monatlich Anleihen für 60 Milliarden Euro kaufen will - "bis Ende Dezember 2017 oder erforderlichenfalls darüber hinaus und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht", wie es in der Erklärung heißt. "Wir werden noch lange im Markt sein", versicherte Draghi.

DJG/hab/bam

zurück zur Übersicht