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Agrokor-Krise - Konzern braucht bald neue Finanzspritze

Erscheinungsdatum Website: 18.05.2017 14:50:03
Erscheinungsdatum Publikation: 19.05.2017

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ZAGREB (APA)--Der angeschlagene kroatische Lebensmittelriese Agrokor wurde im April unter staatliche Kuratel gestellt und erhielt damit eine kurze Atempause. Damals wurde ein Sondergesetz beschlossen, um den Konzern zu retten. Schon im Juni braucht das größte Privatunternehmen im Land wieder eine neue Finanzspritze, um liquide zu bleiben. Laut Medienberichten handelt es sich um 200 bis 250 Mio EUR.

Von der Krise des bankrottbedrohten kroatischen Lebensmittelkonzerns Agrokor sind auch österreichische Banken als Kreditgeber betroffen. Zuletzt wurden die Gesamtschulden des Konzerns mit mehr als 40 Mrd Kuna (etwa 5,4 Mrd EUR) angegeben. Die Verbindlichkeiten der Handelskette-Tochter Mercator im Nachbarland Slowenien in Höhe von 800 Mio EUR sind darin noch nicht berücksichtigt.

Die Erste Group wollte am Mittwoch bei der Hauptversammlung ihre Forderungen an Agrokor nicht beziffern. Man habe aber "ausreichend vorgesorgt." Zu Einzelengagements könne man nicht Stellung nehmen, "wir haben unser Engagement in Agrokor in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren", sagte Erste-Vorstand Willibald Cernko.

Der genaue Schuldenstand des Lebensmittelriesen soll nach dem 10. Juni bekannt sein. Bis dahin müssen nämlich Gläubiger und Lieferanten ihre Forderungen anmelden. Bis zu diesem Zeitpunkt soll auch feststehen, wie es um das Agrokor-Vermögen steht. Dazu wird derzeit der Jahresbericht für 2016 noch einmal wegen vermuteter Fehler in den früheren Finanzberichten von einer anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft.

Die neue Finanzspritze soll Agrokor die Liquidität bis Jahresende sichern. Das frische Geld soll vor allem eine regelmäßige Bezahlungvon Lieferanten der kroatischen Handelskette Konsum sichern, damit die Filialen im Sommer, wenn die Tourismussaison auf Hochtouren läuft, ausreichend mit Waren beliefert werden. Konsum ist der wichtigste Teil des vertikal integrierten Konzerns, eines dergrößten Agrar- und Nahrungsmittelunternehmen und Einzelhändler der gesamten Balkanregion.

Schon im April erhielt Agrokor einen Rettungskredit von 80 Mio EUR. Europäische Banken beziehungsweise deren Töchter gewährten diesen Kredit. Laut Medienberichten waren es die Tochterbanken der Erste Group, Raiffeisen, UniCredit und Intesa Sanpaolo. Wie stark die einzelnen Banken bei Agrokor engagiert sind, ist öffentlich nicht bekannt.

Mit der Finanzspritze im April konnte Agrokor die dringlichsten Liquiditätsprobleme lösen und sich damit über Wasser halten. Damit konnte auch ein Überschwappen der Probleme auf die gesamte Wirtschaft in Kroatien und in der Region vorerst verhindert werden. Die Situation hat sich seither beruhigt: die Lieferanten werden regelmäßig bezahlt, auch die Beschäftigten - 40.000 Mitarbeiter gibt es allein in Kroatien, weitere 20.000 in der Region - bekommen ihre Gehälter, hieß es aus dem Konzern.

Die Lage ist jedoch noch alles andere als stabil, was selbst der staatliche Sanierungsmanager Ante Ramljak einräumt. Befürchtungen, dass Agrokor schon bald bankrott sein würde, weist der Sanierer allerdings zurück. Der Konzern werde in eineinhalb Jahren umstrukturiert sein, kündigte Ramljak laut Medienberichten bei seinem Besuch in Serbien an.

Zurzeit wird mit den Banken und Risikokapitalfonds intensiv über neue Liquiditätsmittel verhandelt. Das Interesse, Agrokor weiterhin finanziell zu unterstützen, sei aufrecht, berichten die Medien. Alle neuen Kredite sind gemäß "Lex Agrokor" vorrangig geschützt, die potenziellen Kreditgeber stellen aber auch andere Bedingungen. Die kroatischen Banken wollen schon bald einen Restrukturierungsplan sehen.

Der Sanierungsplan war ursprünglich für den Herbst vorgesehen, wenn sich die finanzielle Situation stabilisiert hat. Klar ist, dasses Agrokor in der jetzigen Form innerhalb eines Jahres nicht mehr geben wird. Das kündigte Ramljak bereits an. Die gesamte Agrokor-Gruppe, die neben Kroatien auch Tochterunternehmen in Slowenien, Serbien und Bosnien hat, soll in vier Bereiche aufgeteilt werden: Einzelhandel, Nahrungsmittelproduktion, Agrarbetriebe und Nicht-Kern-Geschäft, das als erstes verkauft werden soll. Experten rechnen damit, dass später auch andere gesunde Unternehmen verkauft werden müssen, um milliardenschwere Schulden bezahlen zu können.

ost/19.5.2017

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