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Die nächste Schuldenkrise droht Griechenland

Erscheinungsdatum Website: 02.05.2017 13:55:09
Erscheinungsdatum Publikation: 04.05.2017

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Der IWF mahnt Athen zu härteren Reformen / Hilfszusage steht auch weiterhin aus

WASHINGTON (Dow Jones)--Der Internationale Währungsfonds hat Griechenland ins Gebet genommen: Selbst wenn die Gläubiger dem Land einen Teil seiner Schulden erlassen - was angesichts der verfahrenen Gespräche alles andere als sicher ist -, sind immer noch schmerzhaftere Wirtschaftsreformen nötig als bisher geplant. Im siebten Jahr der Wirtschaftskrise droht erneut ein finanzieller Notstand. Der IWF drängt Deutschland und andere Gläubiger, dem Land Hoffnung zu geben - in Form eines Schuldenerlasses.

Die "haushaltspolitischen und strukturellen Reformen, Renten und Steuern, sind nur eine Anzahlung", sagte Poul Thomsen, Europa-Verantwortlicher beim IWF und der Kopf hinter dem griechischen Rettungsprogramm, beim Treffen von IWF, Finanzministern und Zentralbankern. Es seien "tiefe strukturelle Reformen" nötig, um die Arbeitslosenquote und die Einkommensverhältnisse wieder auf Vorkrisenniveau zu bringen. Viele seien noch nicht einmal geplant, sagte er. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei 22, unter jungen Erwachsenen bei rund 50%.

In wenigen Monaten stehen wieder Zahlungen an

Thomsen und IWF-Chefin Christine Lagarde trafen den griechischen Finanzminister Euclid Tsakalotos und bereiteten eine Rückkehr des Fonds nach Athen vor. In den vergangenen drei Jahren war die Organosation nicht mehr an den Rettungsaktionen für Griechenland beteiligt. Auch die künftige Hilfestellung hat der Fonds noch nicht endgültig zugesagt. IWF-Vertreter fürchten, dass Politik und Gesellschaft in Griechenland durch die existierenden Reformvorhaben an ihre Grenzen stoßen. Das Land hat bereits mehrere politische Krisen und Regierungswechsel hinter sich, und wenn in wenigen Monaten Anleihen fällig werden, könnte es erneut zur Krise kommen, falls die Gläubiger dem Land nicht entgegenkommen.

Anfang des Jahres hatte der IWF gewarnt, dass der Streit um neue Rettungsbedingungen, Finanzierung und Schuldenerlass Griechenland letztendlich aus der Eurozone drängen könnte. Analysten sagen, dass die griechische Krise zum Verhängnis für die gesamte Währungsunion werden könnte, vor allem während Großbritannien der EU den Rücken kehrt und eurokritische Parteien auch in weiteren Wahlerfolge feiern.

Die Gläubiger wollen Griechenland zu weiteren Reformen bewegen und versprechen einen Schuldenschnitt als Belohnung. Bisher hat Athen nie alle Bedingungen erfüllt, weshalb die Schuldenlast auch noch nicht geringer geworden ist. Stattdessen versucht Europa, den Daten einen langfristigen Haushaltsüberschuss zu entlocken, durch den kein Schuldenerlass nötig wäre. Der IWF betont jedoch, dass solche Prognosen nicht glaubwürdig seien. Vielmehr würde ein Schuldenerlass einem künftigen Rettungspaket mehr Gewicht verleihen. "Nicht die Ziele und die Glaubwürdigkeit der kurzfristigen Ziele stehen zur Debatte. Die Frage ist, ob die Ziele mittelfristig aufrecht zu erhalten sind, wenn die Wirtschaft wächst", sorgt sich Thomsen.

Einige Ökonomen stellen sogar infrage, ob der vom IWF vorgeschlagene Schuldenerlass ausreicht. Die Außenstände des Staates belaufen sich auf rund 326 Mrd EUR, rund 180% des BIP. 226 Mrd davon schuldet Griechenland europäischen Gläubigern. Jeromin Zettelmeyer, Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics und ehemals Ökonom im Bundeswirtschaftsministerium, bezweifelt, dass eine Laufzeitverlängerung für die griechischen Anleihen sowie eine Zinssenkung ausreichen würden, damit das Land sich erholt. "Der Schuldenerlass, wie er im Mai 2016 von der Eurogruppe besprochen wurde, könnte ausreichen - aber nur, wenn man ihn auf die Spitze treibt", sagte er kürzlich. Die Privatwirtschaft werde eine solche Restrukturierung jedoch kaum akzeptieren, weil Griechenland damit einen Grund hat, auf dem Höhepunkt seiner Schulden Zahlungen ausfallen zu lassen oder die Schulden neu zu verhandeln.

Im Wahljahr ist ein Schuldenerlass für Griechenland in Berlin kein beliebtes Thema. Die Bundesregierung verspricht seit langem, Athen ohne die Unterstützung des IWF nicht weiter zu finanzieren, da die Organisation das Rettungsprogramm legitimiere. Da der IWF jedoch nicht von seiner Position weicht, steht in den kommenden Monaten eine erneute Kreditkrise an. Zettelmeyer schätzt, dass Griechenland weitere 100 Mrd EUR brauchen dürfte. Es wären dann noch größere Haushaltseinschnitte und Wirtschaftsreformen nötig, um die Finanzen des Landes wieder in den grünen Bereich zu bringen. Der fast ein Jahrzehnt lange Leidensweg Griechenlands würde umso länger andauern.

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