Märkte der Welt

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Pokert der Kronprinz im Aramco-IPO zu hoch?

Erscheinungsdatum Website: 02.05.2017 13:55:07
Erscheinungsdatum Publikation: 04.05.2017

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Börsengang noch nicht in trockenen Tüchern / Investoren halten den Konzern für überbewertet / Steuersenkungen sollen Ölgiganten attraktiver machen

RIAD (Dow Jones)--Der staatliche Ölkonzern Saudi-Arabiens, Aramco, will an die Börse. Es gibt nur ein Problem: Der stellvertretende Kronprinz, der die Wirtschaft reformieren will, hat den Wert des Unternehmens mit 2 Bill USD veranschlagt. Damit könnte er jedoch 500 Mrd USD zu hoch gegriffen haben. Selbst wenn Aramco-Vertreter eine aktuelle Steuersenkung und andere Maßnahmen mit einbeziehen, um das Unternehmen für Anleger attraktiver zu machen, kommen sie höchstens auf einen Wert von 1,5 Bill USD, sagen mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Saudi-Arabien will bei einem Börsengang nächstes Jahr 5% der Aktien verkaufen und damit Milliarden einnehmen, um in andere Branchen zu investieren. Das Land will so seine Abhängigkeit vom Öl reduzieren.

Die unklare Bewertung erschwert den geplanten IPO, der ohnehin schon hochkomplex ist und bei einigen Mitgliedern des saudischen Königshauses auf Kritik stößt, sagen Informanten. Etwa zwei Dutzend Angestellte arbeiten seit vergangenem Jahr daran, Aramco den Weg an die Börse zu ebnen. Mit westlichen Beratern suchen sie nach Möglichkeiten, den Konzern so umzustrukturieren, dass der Wert möglichst groß ist, sagen Informanten.

So haben sie laut internen Dokumenten, die dem Wall Street Journal vorliegen, zum Beispiel den Ölpreis und die saudische Steuerpolitik als Hebel identifiziert, die den Wert des Konzerns bestimmen. Doch egal, wie sie diese Hebel bedienen, steige der Wert von Aramco nicht über 1,5 Bill USD.

Die saudische Regierung sagte vergangenen Monat, dass sie den Steuersatz für Aramco von 85 auf 50% reduzieren werde. Dadurch könnten Aktionäre auf höhere Dividenden hoffen. Dieser Schritt hat den vermeintlichen Wert des Konzerns schlagartig von einer 500 Mrd auf 1,3 bis 1,5 Bill USD gesteigert, sagen mit dem Prozess vertraute Personen.

Nat Kern, Chef der Washingtoner Beratungsfirma Foreign Reports, sagt, er sei skeptisch gegenüber der hohen Bewertung, weil Investoren Staatskonzerne meist weniger wert sind als vergleichbare privatwirtschaftliche Firmen, da sie den manchmal unvorhersehbaren Entscheidungen des Mehrheitseigentümers ausgesetzt sind. So könne man sich nicht sicher sein, dass der Steuersatz bei 50% bleiben werde, sagt Kern, dessen Firma sich auf den Nahen Osten und Öl fokussiert. "Die meisten ölproduzierenden Länder kassieren rund 90% der Rohölumsätze ein", sagt er.

Saudische Regierungsvertreter sagen, dass die hohen Reserven und geringen Kosten Aramco für Investoren attraktiver machen würden. Einige der Banken, die sich darum bewerben, den Börsengang zu begleiten, haben bisher kaum Finanzinformationen zu dem Konzern erhalten, sagt eine mit dem Prozess vertraute Person. Doch selbst ohne solche Informationen hält sie es für sehr unwahrscheinlich, dass Aramco eine Bewertung von 2 Bill USD erreichen könnte - dazu müsse das Unternehmen komplett von Steuern und anderen Zahlungen befreit werden.

Seitdem Kronprinz Mohammed bin Salman vergangenes Jahr die Börsenpläne und die vermeintliche Bewertung von 2 Bill USD verkündete, fragen sich Insider und Außenstehende, wie er auf diese Zahl kam. Ein Aramco-Vertreter nannte die Zahl "unrealistisch und irre".

Eine geringere Bewertung würde bedeuten, dass das Königreich beim IPO weniger Geld einnimmt, mit dem es in den Wirtschaftsplan "Vision 2030" investieren kann. Die übrigen Aramco-Aktien, die in saudischer Hand bleiben, wären dadurch außerdem weniger wert, als der Prinz vorhergesagt hat. Das Königreich hätte daher geringere Sicherheiten, um sich Geld zu leihen und die wirtschaftliche Diversifizierung zu finanzieren.

Aramco produziert fast 10 Mio bbl Öl pro Tag, mehr als doppelt so viel wie Exxon Mobil. Der US-Konzern hat einen Marktwert von 337 Mrd USD. Aramco hat mit die niedrigsten Produktionskosten der Welt - saudisches Öl ist in der Regel günstig zu fördern - und hat nach eigenen Aussagen Reserven von 260 Mrd bbl.

Eingie Vertreter des Unternehmens und der Regierung haben inoffiziell vorgeschlagen, den Börsengang zu überdenken, sagen Informanten. Womöglich solle man den Umfang überdenken oder den IPO verzögern. Bisher scheinen Prinz Mohammed und seine Mitarbeiter das jedoch nicht in Erwägung zu ziehen. "Dieser IPO wird stattfinden, egal wie die Bewertung ausfällt", sagt der Regierungsvertreter, der die 2-Bill-USD-Bewertung "irre" nannte.

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