Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Bundesbank: Inflationserwartungen könnten Löhne gebremst haben

Erscheinungsdatum Website: 25.11.2016 18:01:21
Erscheinungsdatum Publikation: 28.11.2016

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Deutsche Bundesbank warnt vor Zweitrundeneffekten durch die niedrigere Inflation in Deutschland. Dass der Anstieg der Tariflöhne im dritten Quartal auf 1,9 Prozent gesunken ist, könnte nach ihrer Einschätzung teilweise an gesunkenen Inflationserwartungen gelegen haben, schreibt die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht für November.

Die Bundesbank verweist darauf, dass sich der Anstieg der Tarifverdienste im dritten Quartal auf 1,9 von zuvor 2,2 Prozent abgeschwächt hat und warnt: "Nicht auszuschließen ist, dass in einigen Fällen für die ausgehandelten Tarifergebnisse neben dominierenden Bestimmungsfaktoren wie der allgemeinen Wirtschaftslage auch die derzeit niedrige Inflationsrate oder die Erwartung einer für die Laufzeit der Tarifvereinbarung weiterhin moderaten Preissteigerung eine Rolle spielten."

Sie spricht damit die auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußerte Sorge an, dass die seit Jahren sehr niedrige Inflation die Inflationserwartungen sinken lassen könnte, die ihrerseits zu niedrigeren Lohnabschlüssen führen könnte. Auf diese Weise könnte es zu einem sich selbst antreibenden Rückgang der Inflationsraten kommen.

Hoffnungen auf eine höhere Inflation in der Eurozone ruhen zu einem nicht geringen Teil auf Deutschland. Und in Deutschland speisen sich diese Hoffnungen vor allem aus der Erwartung, dass wegen des seit Jahren anhaltenden Wirtschaftswachstums und des nahezu "geräumten" Arbeitsmarkts früher oder später die Löhne stärker steigen werden.

Aber dazu kam es zuletzt nicht in dem erhofften Ausmaß. Erklären lässt sich das laut Bundesbank für das dritte Quartal sowohl mit niedrigen Tarifanhebungen aus zweiten Stufen früherer Lohnrunden als auch mit den überwiegend moderaten Neuabschlüssen des laufenden Jahres. Bei letzteren könnten laut Bundesbank niedrige Inflationserwartungen eine Rolle gespielt haben.

In Deutschland liegt den Tarifabschlüssen neben der Trendproduktivität und einer Umverteilungskomponente die Zielinflationsrate der EZB von knapp 2 Prozent zugrunde. Das würde für Tarifabschlüsse von deutlich über 2 Prozent sprechen. Die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Teuerung lag im Euroraum zuletzt bei 0,5 (Deutschland: 0,7) Prozent. Die EZB strebt mittelfristig knapp 2 Prozent Inflation an. Viele Beobachter rechnen derzeit damit, dass die EZB ihre Geldpolitik im Dezember wegen des anhaltend schwachen Inflationsausblicks weiter lockern wird. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte in der vergangenen Woche vor einer solchen Entscheidung gewarnt und sich zuversichtlich geäußert, dass sich die Inflation auch ohne weitere Hilfe der Geldpolitik erholen wird.

DJG/hab/apo/28.11.2016

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