Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Bundesverfassungsgericht weist Klagen gegen OMT-Programm ab

Erscheinungsdatum Website: 23.06.2016 18:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 27.06.2016

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KARLSRUHE (Dow Jones)--Die gezielte Beeinflussung von Anleiherenditen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank (EZB) verstößt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht gegen das deutsche Grundgesetz. Wie das Gericht am Dienstag in Karlsruhe mitteilte, sind Outright Monetary Transactions (OMT) dann zulässig, wenn sie die im vergangenen Jahr vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) genannten Maßgaben nicht verletzen. Nach Aussage des Vorsitzenden Richters des zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, hat das Gericht die verschiedenen Verfassungsbeschwerden entweder verworfen oder zurückgewiesen.

Der EuGH hatte der EZB unter anderem aufgegeben, ein OMT im Einzelfall genau zu begründen und eine ungestörte Preisbildung am Primärmarkt für Staatsanleihen zu ermöglichen. Konkret ist die EZB im Rahmen von OMT bereit, ohne Mengenbegrenzung Anleihen eines Staats am Sekundärmarkt zu kaufen, wenn dessen Zinsen auch deshalb überhöht sind, weil an den Finanzmärkten der Eindruck besteht, dass dieser Staat gegen seinen Willen aus dem Euro ausscheiden könnte.

Damit erzeugt sie eine künstliche zusätzliche Nachfrage nach diesen Papieren. Deren Preis steigt, spiegelbildlich sinkt die Rendite, der Schuldner muss den Käufern seiner Wertpapiere weniger Zins bieten, damit die eine neue Emission zeichnen. Allerdings ist im Euroraum nur die Geldpolitik gemeinschaftlich. Für gesunde Staatsfinanzen muss jedes Land alleine sorgen.

Der OMT-Grundsdatzbeschluss des EZB-Rats verletzt laut Bundesverfassungsgericht die Grundrechte der Beschwerdeführer nicht, wenn sich die EZB bei der Ausführung eines OMT-Programms an die von EuGH formulierten, die Reichweite des OMT-Programms begrenzenden Maßgaben halte. Unter diesen Voraussetzungen beeinträchtige das OMT-Programm auch nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages.

Voßkuhle ergänzte allerdings, Bundestag und Bundesregierung müssten das Volumen und die Risikostruktur eines laufenden OMT-Programms ständig beobachten, da sich diese ändern könnten. Kritiker in Deutschland weisen darauf hin, dass die OMT-Zusage die disziplinierende Wirkung der Anleihemärkte außer Kraft setzt oder doch verringert. Sie argumentieren, dass hohe Anleiherenditen die Quittung für eine unsolide Haushaltspolitik seien und Regierungen nur so gezwungen werden könnten, eine vernünftigere Politik zu betreiben.

Eine Voraussetzung für ein konkretes OMT-Programm ist allerdings die Existenz eines mit wirtschaftspolitischen Auflagen versehenen Hilfsprogramms des Euro-Rettungsfonds (ESM) oder einer ESM-Kreditlinie. Zudem müsste der ESM Anleihen dieses Staats am Primärmarkt erwerben.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Draghis Aussagen in der Euro-Krise 2012 noch ausdrücklich begrüßt hatte, lehnt derartige Primärmarktankäufe, denen er zustimmen müsste, neuerdings ab. Damit stellt er einen wichtigen Teil der Euro-Finanzarchitektur zumindest nach außen hin in Frage.

Der EuGH hatte im vergangenen Jahr auf Anfrage der Karlsruher Richter geurteilt, dass das Handeln der EZB von europäischem Recht gedeckt sei. Vorschläge des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf mögliche Mengenbegrenzungen, Markteingriffsintensitäten oder die geplante Konditionierung von OMT-Programmen hatte der EuGH zurückgewiesen. Dieser Konflikt scheint nun vorerst durch das Nachgeben der Karlsruher Richter gelöst. "Die europäische Rechtsgemeinschaft geht gestärkt aus diesem Verfahren hervor", sagte Voßkuhle.

DJG/hab/apo/27.06.2016

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