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Koalition einigt sich auf Reform der Erbschaftsteuer

Erscheinungsdatum Website: 20.06.2016 16:20:03
Erscheinungsdatum Publikation: 21.06.2016

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BERLIN (Dow Jones)--Union und SPD haben sich nach monatelangem Streit auf eine Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Sie sieht geringere Ausnahmen für Kleinunternehmen vor als das derzeit geltende Recht - aber größere als zunächst geplant. Die Grünen könnten das neue Gesetz allerdings noch im Bundesrat stoppen.

"Nach mehreren Gesprächen zwischen CDU, CSU und SPD konnte heute eine Einigung über die Erbschaftsteuerreform erzielt werden," teilten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in einer gemeinsamen Erklärung mit, die das Finanzministerium am Montagmorgen veröffentlichte.

"Jetzt ist der Weg frei für den Abschluss des parlamentarischen Verfahrens noch vor der Sommerpause", erklärte Schäuble. Die Einigung sei "ausgewogen und fair", denn sie bringe die Vorgaben des Verfassungsgerichts, die Interessen der Unternehmen und der Länder in Einklang. "Mit der neuen Erbschaftsteuer stellen wir sicher, dass der deutsche Mittelstand auch weiterhin investieren und Arbeitsplätze sichern kann."

Der Bundestag will die Reform nun nach Angaben des Finanzministeriums noch in dieser Woche beschließen. Der Bundesrat könnte dann am 8. Juli zustimmen - wenn die Grünen mitmachen. Nach einem erfolgreichen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens soll das Gesetz laut der Einigung rückwirkend zum 1. Juli in Kraft treten.

Bis zum 30. Juni muss es eine Reform der Erbschaftssteuer geben, weil das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber diese Frist gesetzt hat. Die Karlsruher Richter hatten die bisherigen Regelungen zu Ausnahmen für Firmenerben in Teilen verworfen.

Zwar hatten sich schon im Februar die Koalitionsfraktionen auf eine gemeinsame Position zur Reform verständigt. Seehofer hatte dann aber noch weiter gehende Forderungen hinterhergeschickt, was zu einer monatelangen Verzögerung des Projektes geführt hatte.

Kleinunternehmen werden verschont

Der nun gefundene Kompromiss sieht Korrekturen an dem Gesetzentwurf von Schäuble vor, behält aber den Plan bei, auch das Privatvermögen der Unternehmer bei der Zahlung der Erbschaftsteuer auf Betriebe heranzuziehen. Seehofer setzte sich aber in den Verhandlungen mit seiner Forderung durch, mehr Erben kleiner Unternehmen bei einer Fortführung des Betriebs von der Steuer zu befreien.

Für die Einbeziehung des Privatvermögens in die Zahlung der Steuer soll eine Freigrenze von 26 Millionen Euro gelten: Liegt das ererbte Betriebsvermögen darüber, soll maximal das halbe Privatvermögen zur Begleichung der Erbschaftsteuer dienen. Zuvor soll eine Bedürfnisprüfung gemacht werden. Ab einem Unternehmenswert von 90 Millionen Euro soll allerdings in jedem Fall der volle Betrag fällig werden.

Kleinunternehmen sollen aber bei Fortführung des Betriebes von der Steuer verschont werden. So sollen Erben von Betrieben mit bis zu fünf Beschäftigten keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie das Unternehmen sieben Jahre fortführen, ohne den Erhalt von Arbeitsplätzen nachweisen zu müssen. Derzeit gilt dies noch für Firmen mit bis zu 20 Beschäftigten. Schäuble wollte diese Grenze nun bei drei Mitarbeitern ansetzen, Seehofer bestand aber auf dem Wert von fünf Mitarbeitern. Saisonarbeiter sollen bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl nicht berücksichtigt werden.

Die vom Verfassungsgericht angemahnte Reform der Erbschaftsteuer hatte monatelang Bund und Länder ebenso entzweit wie Politik und Wirtschaft. Besonders die Familienunternehmer hatten vor einer Existenzgefährdung für ihre Betriebe gewarnt, falls es zu den von Schäuble geplanten Regelungen käme. Einer ihrer Kritikpunkte war, dass auch privates Vermögen künftig bei der Vererbung von Betrieben berücksichtigt werden soll. "Die Einigung schützt den Bestand vor allem von mittelständischen Unternehmen und garantiert den Erhalt der vorhandenen Arbeitsplätze in Deutschland", betonten Schäuble, Gabriel und Seehofer aber jetzt.

Unternehmensverbände bewerteten den nun erreichten Kompromiss allerdings kritisch. "Im Ringen um die Reform der Erbschaftsteuer ist der kleinste gemeinsame Nenner erzielt worden", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber. Der bisher geltende Kompromiss sei "zum Nachteil des industriellen Mittelstandes aufgeweicht" worden. Durch viel zu hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand drohten eigentümer- und familiengeführten Unternehmen deutliche Mehrbelastungen.

Grüne halten Kompromiss für nicht verfassungsfest

"Die Unternehmen zahlen die Rechtssicherheit mit höheren Belastungen", sagte auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. Denn Finanzmittel der Unternehmen würden nun in geringerem Maße verschont. Für den Präsidenten des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, ist "schon jetzt absehbar, dass sich das Bundesverfassungsgericht bald wieder mit dem Thema beschäftigen wird".

Die Stiftung Familienunternehmen meinte, für viele dieser Betriebe werde sich die Erbschaftsteuer-Belastung deutlich erhöhen. Vorstand Rainer Kirchdörfer warnte, eine Tendenz zu Abwanderung und zu Verkauf werde so befördert. "Gerade größere Familienunternehmen sind Deutschlands Hidden Champions", betonte der Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, Lutz Goebel. Sie dürften nicht stärker belastet werden.

Ökonomen kritisierten die Einigung ebenfalls. "Die Politik hat erneut die Chance zu einer grundlegenden Reform der Erbschaftsteuer verpasst", monierte Ifo-Präsident Clemens Fuest und forderte eine deutliche Senkung der Steuer zum Beispiel auf 10 Prozent und dafür einen Verzicht auf Verschonungsregeln. Aus Sicht des Chefs des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, leistet die Einigung "wenig dafür, der gewachsenen sozialen Ungleichheit in Deutschland entgegenzuwirken" und bringt Aufweichungen und "möglicherweise Mindereinnahmen".

Die politischen Reaktionen auf die Einigung fielen gemischt aus. Während Gabriel und SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider von Aufkommenssteigerungen durch den Kompromiss sprachen, kritisierte der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger, in keinem anderen Land würden die "Erben so verschont".

Die Grünen im Bundestag bemängelten, der Kompromiss sei "nicht verfassungsfest", denn er sehe zu weitreichende Verschonungsregeln vor. Deshalb wäre es für den Bundesrat "an der Zeit, jetzt die Reißleine zu ziehen", erklärte Fraktionsvize Kerstin Andreae. Mit der Aussage "sollten grün mitregierte Länder zustimmen, dann einzig aus der Erwägung, eine drohende Rechtsunsicherheit für kleine und mittlere Unternehmen zu verhindern", deutete sie aber auch ein mögliches Ja in der Länderkammer an.

DJG/ank/apo

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