Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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AB: Europäische Banken reagieren auf Margendruck

Erscheinungsdatum Website: 17.06.2016 15:55:04
Erscheinungsdatum Publikation: 20.06.2016

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LONDON (Dow Jones)--Angesichts der Herausforderungen der EZB-Politik für die traditionellen Geschäftsmodelle der europäischen Banken hat sich die Investmentgesellschaft AB mit einem verwalteten Vermögen von rund 479 Milliarden Dollar mit der Frage beschäftigt, ob dies zu einer radikalen Neuordnung der Bankenlandschaft führen wird und wer die Gewinner und Verlierer dieses Prozesses sein dürften. Die Gewinnmargen der europäischen Banken würden durch die Nullzinspolitik der EZB erheblich unter Druck gesetzt, eine schwächelnde Kreditnachfrage verstärke einen starken Verdrängungswettbewerb und hohe regulatorische Kosten verursachten weitere Probleme; die Banken verdienten im Kreditgeschäft immer weniger, beschreibt Steve Hussey, Head of Financial Institutions Credit Research bei AB, das Dilemma der Banken.

Bisher hätten die meisten Banken es vermieden, die Kosten für die negativen Einlagenzinsen an die Kunden weiterzugeben, aber die Banken mit den größten Einlagen stünden nun an einem Wendepunkt, weitere Verluste aus diesem Bereich dürften sie nicht mehr lange absorbieren können.

Wettbewerb lässt wenig Spielraum bei klassischen Produkten

Viele Banken dürften weitere Zinssenkungen nicht mehr an die Kreditkunden weiterleiten, glaubt Hussey. Einige Institute höben bereits die Kreditkosten an, wie es in der Schweiz und Dänemark bereits geschehe. Zudem führten immer mehr Banken Servicegebühren für bislang kostenlose Dienstleistungen ein wie etwa das so beliebte kostenfreie Girokonto.

Die europäische Bankenbranche sei aber ein übersättigter Markt und zusätzlicher Wettbewerbsdruck entstehe durch neuartige Konkurrenten aus der Technologiewelt. Die etablierten Banken hätten daher wenig Spielraum, bei klassischen Bankprodukten an der Kostenschraube zu drehen, so der Investmentexperte weiter. Gleiches gelte für die Ausweitung des Kreditgeschäfts. Das Kreditwachstum in Europa sei fast überall mau und konzentriere sich zudem auf margenschwache Produkte wie Hypothekendarlehen.

Alle diese Faktoren deuten für Hussey darauf hin, dass halbherzige Umstellungen den Banken keine nachhaltige Verbesserung der Profitabilität bescheren werden. Dies gelte umso mehr, weil die Kunden ihr Geschäftsgebaren mit Banken im Zeichen sinkender Zinsen gerade grundlegend änderten. Langfristig bindende Sparprodukte fänden keinen Absatz mehr. Auf der Hypothekenseite sei es genau umgekehrt, die "Häuslebauer" sicherten sich langfristig niedrige Zinsen. Diese Trends erodierten die Gewinne der Banken weiter.

Um eine nachhaltige Zukunftsperspektive zu haben, sollten die Banken daher eine grundlegende Umstrukturierung ihrer herkömmlichen Geschäftsmodelle in Betracht ziehen, rät der AB-Experte. Dazu könnte gehören, die Kunden zum Wechsel von Sparkonten in margenträchtigere Produkte wie Investmentfonds oder Altersvorsorgestrukturen zu bewegen. Dies könne gleichzeitig zu einer Verfestigung der Kundenbeziehung führen und perspektivisch weitere Absatzmöglichkeiten eröffnen. Banken mit etablierten und modernen Fondsplattformen seien eindeutig gut positioniert, um sich auf gebührenträchtige Spar- und Vorsorgeprodukte zu fokussieren. Kleinere Institute könnten dagegen gezwungen sein, über Umwege wie Joint Ventures Zugang zu diesem attraktiven Geschäftsfeld zu erhalten.

Wandel eher evolutionär statt revolutionär

Unter Europas Bankkunden bestünden erhebliche Unterschiede im Spar- und Anlageverhalten zwischen den einzelnen europäischen Ländern, weiß Hussey. Die Auswirkungen eines Branchenumbruchs wären daher auch verschieden groß. Die Deutschen seien eifrige Sparer und hielten mehr Vermögen in Sparbüchern und Festgeld als ihre Brüder und Schwestern in anderen großen Euroländern. Niederländische Haushalte seien primär im Pensionsfondsbereich veranlagt, während spanische Verbraucher 80 Prozent ihres Nettovermögens in Immobilien hielten. Deutsche und niederländische Haushalte dürften daher stärker von Zinsschwankungen abhängig sein, als dies in Spanien, Italien und Frankreich der Fall sei. Folglich hätten deutsche und niederländische Banken großes Potenzial, ihre Kunden zum Wechsel aus Einlageprodukten in einträglichere Fonds zu bewegen.

Trotz dieser Entwicklungen dürfte sich das Bankkundenverhalten dennoch nur in kleinen Schritten ändern. Daher glaube AB, dass der Wandel in der europäischen Bankenlandschaft eher evolutionär als revolutionär vonstattengehen werde.

DJG/gos/mgo/20.06.2016

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