Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Finanzprofessor: EZB-Projekt Anacredit sollte ausgeweitet werden

Erscheinungsdatum Website: 24.05.2016 17:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 25.05.2016

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FRANKFURT (Dow Jones)--Unter Deutschlands Bankmanagern ist das neue EZB-Projekt zur Erfassung detaillierter Kreditdaten (Anacredit) denkbar unbeliebt, weil es Arbeit macht und Geld kostet. Ein Frankfurter Ökonomen jedoch findet, dass Anacredit überfällig ist und eigentlich ausgeweitet werden müsste. "Ich kann das Wehklagen in Deutschland nicht verstehen, die Daten sind doch in den Banken alle vorhanden", sagt Falko Fecht, Professor für Financial Economics an der Frankfurt School of Finance and Management. Er fände sogar eine Ausweitung von Anacredit angemessen.

Die Banken des Euroraums müssen ab Herbst 2018 alle an Unternehmen und Staaten vergebene Kredite ab 25.000 Euro an die EZB melden. Kredite an Privatpersonen werden nicht erfasst, auch keine Hypothekenkredite. Anacredit betrifft rund 5.000 Banken mit 15 Millionen Schuldnern und rund 100 Millionen Krediten.

Als die EZB Ende vergangener Woche ihre aktualisierten Anacredit-Pläne vorstellte, warnte der bayerische Genossenschaftsverband: "Für den Datenhunger der EZB stehen am Ende die Unternehmen gerade." Sie müssten zukünftig Informationen zur Verfügung stellen, die tiefe Einblicke in ihre Bücher zuließen. Zudem würden wiederum die Kreditinstitute nicht umhin kommen, zumindest einen Teil des Mehraufwands auf ihre Kunden umzulegen.

Frage nach effizienter Betriebsgröße

Aus Sicht von Falko Fecht fallen solche Klagen jedoch auf ihren Absender zurück: "Wenn das ein Problem ist, dann muss man wohl die Frage der effizienten Betriebsgröße stellen", sagte er. Tatsächlich sind es vor allem die vielen kleinen Banken in Deutschland, die Anacredit fürchten, und denen die EZB nun versprechen musste, 18 Monate im Voraus Bescheid zu geben, wenn sie Daten liefern müssen. Zudem können kleinere Institute für zwei Jahre von der monatlichen Berichtspflicht freigestellt werden.

Auch an anderer Stelle musste die EZB ihre ursprünglichen Pläne zusammenstreichen. So wollte sie notleidende Kredite eigentlich schon ab 100 Euro gemeldet haben. Jetzt gilt eine einheitliche Meldeschwelle von 25.000 Euro für alle Kredite. Zudem sollte Anacredit im März 2018 starten, nun ist es erst im September desselben Jahres so weit.

Immerhin wird die EZB von da an wissen, welche Bank welchem Unternehmen wie viel geliehen hat. Sie erhält damit Informationen über die wirtschaftliche Lage einzelner Unternehmen und über die Wirtschaftssektoren in den Ländern des Euroraums. Dabei erfährt sie natürlich auch, wie die Kreditnachfrage- und -angebotssituation ist, wie es den kleineren Unternehmen geht, wie wirksam ihre Geldpolitik ist und welchen Risiken die Banken ausgesetzt sind.

Mehr Klarheit zu Kreditsituation

Nach Aussage von Falko Fecht ist es "essentiell, dass die EZB feststellen kann, ob es ein Angebots- oder ein Nachfrageproblem bei der Kreditvergabe gibt. Bisher hängt die EZB da sehr vom Quartalsbericht zur Kreditvergabe ab", also von aggregierten Daten.

Verwendet werden sollen die detaillierteren Anacredit-Daten nicht nur für geldpolitische Zwecke, sondern auch in der so genannten makroprudenziellen Aufsicht. Dieses relativ neue Aufgabenfeld, das der Aufrechterhaltung finanzieller Stabilität dient, ist laut Fecht ebenfalls dringend auf diese Daten angewiesen. "Wenn man noch nicht mal über die dafür notwendigen Statistiken verfügt, bleibt man ein zahnloser Tiger", sagte er.

Fecht fände deshalb auch eine Ausweitung von Anacredit angemessen. "Ich würde es sehr befürworten, wenn Hypothekenkredite einbezogen würden", sagte er. Das seien die Daten, die in Deutschland in den nächsten Jahren am interessantesten sein dürften. "Und da müssen auch die kleinvolumigen Kredite betrachtet werden." Fecht sieht zudem keinen Grund, nicht auch sämtliche Konsumentenkredite in Anacredit einzubeziehen - "außer vielleicht dem öffentlichen Widerstand".

DJG/hab/smh

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