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Flugzeugbauer entdecken den asiatischen Markt als neue Absatzregion

Erscheinungsdatum Website: 20.05.2015 15:20:05
Erscheinungsdatum Publikation: 21.05.2015

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PRAG (ost/gtai)--Die Luftfahrtindustrie ist auch in Tschechien relativ unabhängig von Konjunkturschwankungen. Die Umsätze steigen kontinuierlich, und bei den über 100 Unternehmen gehen Aufträge aus aller Welt ein. Neben Komponenten für die großen Hersteller Airbus, Boeing und Embraer produziert die Branche weiterhin erfolgreich kleine Nischenflugzeuge. Zuletzt wurden auch zwei Elektroflieger entwickelt, die im Batteriebetrieb unterwegs sind.

Tschechiens Flugzeugindustrie hat die beiden Rezessionsjahre 2012 und 2013 fast unbeschadet überstanden. Nun startet die Branche durch zu neuen Höhenflügen. Laut staatlicher Agentur für Wirtschafts- und Investitionsförderung Czech Invest produzieren 135 Betriebe im Land Luftfahrzeuge und Komponenten, davon etwa 35 im Kerngeschäft. Nach Schätzungen von Jan Chmelik, Branchenmanager bei Czech Invest, beschäftigt der Sektor 10.000 Mitarbeitende und erzielt einen Jahresumsatz von rund 15 Mrd Tschechischen Kronen (CZK, circa 540 Mio EUR) "Tschechische Unternehmen sind ein wichtiger Bestandteil der Wertschöpfungskette für die internationale Flugzeugindustrie geworden", erklärt Spezialist Chmelik. Sie liefern nach Nordamerika, Westeuropa, Russland und Asien.

Der größte einheimische Hersteller Aero Vodochody wurde 2014 von PricewaterhouseCoopers zu den zehn am schnellsten wachsenden Unternehmen der globalen Luftfahrtindustrie gezählt. Vom Umsatz her gehört die Firma aus Odolena Voda bereits zu den 100 größten Herstellern der Welt. Die Umsätze sind in den letzten Jahren steil nach oben geschossen. Bis 2018 erwartet die Geschäftsführung dank der gefüllten Auftragsbücher eine weitere Verdoppelung.

Von der Expansion bei Aero Vodochody profitieren auch deutsche Unternehmen. So hat der niedersächsische Maschinenbauer Broetje-Automation 2014 eine CNC-gesteuerte Nietanlage geliefert. Mit einer Investition von 100 Mio CZK war es der teuerste Einzelauftrag, den Aero Vodochody bislang vergeben hatte. Die Deutsche Telekom hat mit ihrer Marke T-Systems eine Softwarelösung zum rechnergestützten Konstruieren von Hubschrauber- und Flugzeugteilen programmiert.

Gute Zahlen vorweisen kann auch die südmährische Aircraft Industries - Hersteller des größten tschechischen Flugzeugs L-410. Der zweimotorige Schulterdecker bietet Platz für 19 Passagiere und wird schon seit über 45 Jahren produziert, inzwischen in einer modernisierten Version. Im Jahr 2014 hat Aircraft Industries 16 dieser Maschinen hergestellt und verkauft. Die Umsätze lagen bei 65 Mio EUR. Perspektivisch ist eine Jahresproduktion von bis zu 30 Einheiten geplant.

Als neue Absatzregion rückt der asiatische Markt ins Blickfeld. Maschinenbauer PBS Velka Bites hat Ende vergangenen Jahres mit der chinesischen Hongdu Aviation Industry Group vereinbart, Hilfstriebwerke für ein neues Passagierflugzeug zu entwickeln. Ab 2020 könnten die Tschechen solche Energieaggregate ins Reich der Mitte liefern. Ein anderer Hersteller, Jihlavan aus Jihlava, will zusammen mit ostasiatischen Partnern Sport- und Trainingsflugzeuge für den chinesischen Markt entwerfen.

Einen solventen Geldgeber aus Asien hat der südmährische Hersteller Evektor an Land gezogen. Die malaysische Gesellschaft Aspirasi Pertiwi will 4 Mrd CZK in das Unternehmen aus Kunovice investieren. Mit der Kapitalspritze soll das Evektor-Modell EV-55 Outback den Sprung auf die Weltmärkte schaffen. Aspirasi Pertiwi finanziert laut Presseberichten die weitere Entwicklungsarbeit, Lizenzierungen und den Start der Serienproduktion in zwei Jahren. Nach Unternehmensangaben will Evektor schon in diesem Jahr rund 7 Mio EUR in Bearbeitungs- und Umformmaschinen investieren, um seine Fertigungskapazitäten zu erhöhen. Die zweimotorige Turboprop-Maschine EV-55 Outback kann 14 Passagiere oder knapp zwei Tonnen Fracht transportieren. Sie ist besonders für unbefestigte Posten geeignet.

Als Bremse für den Aufschwung im tschechischen Flugzeugbau erweist sich der Fachkräftemangel, sagt Alice Undusova, Geschäftsführerin des Verbands der tschechischen Luftfahrtindustrie SCLP. Es fehlten vor allem Absolventen der Mittelschulen mit technischer Ausbildung. "Unsere Mitgliedsfirmen müssen daher viel Geld investieren, um den Nachwuchs für die Arbeit an den Maschinen vorzubereiten. Eine solche Trainingsphase kann schnell 100.000 Kronen kosten." Der Verband sucht zusammen mit der tschechischen Regierung nach Möglichkeiten, das Problem zu entschärfen.

Im Ingenieurbereich sorgen die Universitäten des Landes für einen steten Nachschub an Luftfahrtspezialisten. Laut Czech Invest sind zurzeit rund 2.500 Studenten in Fachrichtungen zur Luft- und Raumfahrt eingeschrieben. Die wichtigsten Ausbildungsstätten sind die Tschechische Technische Universität CVUT in Prag und die TU Brno.

Ein zentrales Bindeglied zwischen Wirtschaft und Forschung ist das Institut für Luft- und Raumfahrtforschung und -tests (VZLU) in Prag.

Dass die Zusammenarbeit zwischen Hochschulforschung und Wirtschaft klappt, zeigt das Elektroflugzeug VUT 051 Ray. Es wurde von Studenten der TU Brno mit dem Sportflugzeug-Hersteller Jihlavan entwickelt. Im Sommer 2014 hob das emissionsfreie Gefährt zum Jungfernflug ab. "Eine Serienproduktion ist vorerst nicht geplant. Wir wollten einfach die Möglichkeiten eines Elektroantriebs für die Luftfahrt zeigen", erklärt Dalibor Cervinka vom Entwicklungsteam.

Kommerzieller packt Hersteller Evektor das Thema an.

S.Z./ost/21.5.2015

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